Drei Frauen, drei Wege zum Erfolg

Berufliche Selbständigkeit / 8. November 2006, "Annabelle"

Symbolbild Thema Frauen

Einen eigenen Laden eröffnen, im eigenen Restaurant wirten oder ein Buch schreiben: Viele Frauen träumen von der beruflichen Selbstständigkeit. Wir haben bei jenen nachgefragt, die ihren persönlichen Traum verwirklicht haben. Und durchgerechnet, was das alles so kostet.

"Ich will eine Bar!"

Katharina Bollhalder (49) ist Wirtin in der Pöschtli-Bar in Rehetobel AR

In den Schulferien half die Bauerntochter Katharina Bollhalder jeweils im Hotel ihrer Gotte mit und entdeckte dabei ihre Liebe zum Gastgewerbe. Doch sie wurde Sozialpädagogin, später Hebamme und zuletzt noch Homöopathin, seit 1995 führt sie eine eigene Praxis. Aber immer wenn sie eine neue Ausbildung machte, verdiente sie sich das nötige Geld im Service. Und immer träumte sie davon, eines Tages Wirtin zu sein.

Im Jahr 2001 erfuhr sie per Zufall, dass das Restaurant Pöschtli in Rehetobel zu haben war. Von nun an kreisten ihre Gedanken um die gemütliche Stube im alten Appenzeller Haus mit prächtigem Blick auf Säntis und Alpstein. War dies nicht genau das Objekt, mit dem sie immer geliebäugelt hatte: ein Raum für maximal 35 Personen, geradezu ideal für eine Bar, die sie neben ihrer Praxis betreiben könnte? Als sich auch noch eine Kollegin von der Begeisterung anstecken liess, unterschrieben die beiden Frauen den Mietvertrag, rechneten, zeichneten, planten.

Der erste Dämpfer kam allerdings schnell: Keine Bank war bereit, ihnen einen Kredit zu gewähren. So mussten sie ihre Sparkonten um insgesamt 60000 Franken erleichtern. Damit konnten sie den Umbau und den Einkauf eines Grundstocks an Getränken und Esswaren finanzieren, waren aber gezwungen, das Lokal selbst zu renovieren. Katharina Bollhalder war trotzdem selig: "Für meinen Traum hätte ich alles gemacht." Am 22. Februar 2002 war es so weit: Die Pöschtli-Bar stand nun montags bis freitags ab 17 Uhr bis Mitternacht oder später offen. An den Wochenenden, so wussten die Beizerinnen, hätten sie die Gäste nicht von den Lokalen im nahen St. Gallen oder Herisau weglocken können.

Bruch mit der Partnerin

Inzwischen sind mehr als vier Jahre vergangen, und die Euphorie der Jungwirtin ist etwas abgeklungen. Bereits nach einem Jahr kam es zum Bruch mit ihrer Partnerin, die sie auszahlen musste. Deshalb war sie auch gezwungen, für zwei Abende pro Woche eine Barfrau anzustellen. In den Ferien sind viele Dorfbewohner weg, Touristen verirren sich nur selten nach Rehetobel. Den grössten Umsatz erzielt Katharina Bollhalder, wenn das Militär in der Gegend ist. Super läuft es auch an Abenden, an denen die Ortsvereine nach ihren Sitzungen ein Bier bei ihr trinken und Würstchen essen. Manchmal ist auch an einem gewöhnlichen Abend richtig was los, manchmal läufts an denselben Wochentagen aber so harzig, dass ihr "das Ganze über den Kopf zu wachsen droht".

Nach wie vor zahlt sie jeden Monat tausend Franken drauf, manchmal auch mehr. Ihre Homöopathiepraxis erlaubt ihr den teuren Spass. Trotzdem weiss sie, dass "ein normaler Mensch so etwas nicht machen würde". Sie aber kann nicht anders. Zu gross ist ihre Leidenschaft für Weine und Whiskys, und Abende in Gesellschaft liebt sie über alles. "Meine Bar ist auch ein Familienersatz für mich", sagt sie, "ich bin 49, allein stehend und habe überhaupt keine Lust, zu vereinsamen und als kurlige Alte zu enden."

Startkapital: 60'000 Franken. 35'000 Franken für Umbau und Renovation, betriebspolizeiliche Bewilligung, Barmixkurs, Kauf einer Eiswürfelmaschine und eines Steamers. 25'000 Franken für "lebendiges Inventar" (Getränke, Esswaren). Zusatzinvestitionen: Wirtshaustafel, Weinkühler, Fritteuse, Fernseher, Kreditkartenstation: 11'800 Franken.

Monatliche Kosten: Miete 750 Franken. Versicherungen/Strom ca. 350 Franken. Löhne 1200-1400 Franken für die Putzfrau, 1400 Franken für die Barfrau. Eigenlohn 0 Franken. Einkauf 12'000 Franken für Getränke und Esswaren, ca. 100 Franken für Blumen und Zeitungsabonnements.

Breakeven: Erreicht sie bei einem täglichen Umsatz von 600 Franken (elf Monate à fünf Tage pro Woche geöffnet, abzüglich Feiertage wie Weihnachten und Ostern). Das entspricht pro Tag etwa 171 Stangen Bier à 3.50 Franken oder 50 Whiskys à 12 Franken.


"Ich will ein Buch schreiben!"

Madeleine Bieri (32), Autorin des Romans "Der Kuss im Garten"

Als Zwölfjährige hatte Madeleine Bieri die feste Absicht, Schriftstellerin zu werden. Das Mädchen war eine grossartige Erfinderin, das seine Geschichten mit leichter Hand aufs Blatt warf. Sie wurde aber Politologin und Religionswissenschafterin und fand eine gute Stelle beim Verteidigungsdepartement, wo sie politologische Studien erstellt. Doch in ihrer Freizeit verfasste sie einen Roman.

Mit 17 hatte sie Luise Rinsers "Mirjam" gelesen, das Kultbuch der Feministinnen, in dem die biblische Geschichte aus der Perspektive Maria Magdalenas erzählt wird. Madeleine Bieri war fasziniert. Und entwickelte mit 20 die Idee, die Passionsgeschichte aus der Sicht von Judas zu erzählen, aus dem geldgierigen Verräter einen tragischen, aber liebenswerten Helden zu machen.

Der erste Entwurf lag nach einem Jahr vor. Doch dann begann die "Knochenarbeit": zusätzliche Recherchen, Reisen an Schauplätze, Gespräche mit einem Jesuitenpater, Kürzen, Umschreiben, Zweifel hegen und ausräumen. Die Frage, ob sie ihre Judas-Geschichte veröffentlichen könnte, beschäftigte sie erst spät: "Der Prozess des Schreibens und Überarbeitens war fur mich lange Zeit Befriedigung genug." Doch irgendwann wollte sie es wissen. Sie schickte ihr Manuskript an verschiedene Verlage, die dankend ablehnten. "Das hat mich massiv genervt", sagt sie. Schliesslich fand sie einen Literaturagenten, der die Verlagssuche übernahm. Beim Berner Zytglogge-Verlag stiess er schnell auf Interesse. "In dem Moment, in dem wir den Vertragsabschluss mit einem Glas Champagner besiegelten", erinnert sie sich, "ging für mich ein Traum in Erfüllung."

Endlich Freude

Als "Der Kuss im Garten" im Frühling 2002 fixfertig vor ihr lag, 330 gebundene Seiten, umhüllt von einem kartonierten Einband, beschlich Madeleine Bieri ein seltsames Gefühl. Angesichts dieses "stabilen Stücks", das "nichts mehr mit meinen weichen, herumfliegenden Manuskriptblättern zu tun hatte", wurde ihr bewusst, dass jetzt Schluss war mit Umschreiben, Ergänzen oder Streichen. Erst als verschiedene Zeitungen ihren Roman lobten, kam bei ihr endlich Freude auf.

Nach dem Erscheinen wurde sie "ins Vortragsbusiness hineingeworfen" und las, referierte und diskutierte in zahllosen Bibliotheken, Kirchgemeindehäusern und Buchhandlungen - immer neben ihrem Job in der Bundesverwaltung. Besonders begehrt war sie mit ihrer Passionsgeschichte als Gastrednerin zu Ostern. Kritische Voten und Einwände gegen "ihren" Judas zwangen sie zu zusätzlichen Recherchen und vertieften ihr theologisches Wissen. All diese Erfahrungen sind ihr Gewinn genug, die rund 15'000 Franken, die sie am Buchverkauf und den Lesungen verdiente, nicht mehr als ein Taschengeld.

Inzwischen liegen zwei weitere Manuskripte bei ihrem Agenten, ein Roman über Moses und ein Krimi, der in der Gegenwart spielt. "Wenn ich finanziell unabhängig wäre", sagt Madeleine Bieri, "würde ich sehr gern als Schriftstellerin leben." So aber wird sie auch künftig abends, manchmal frühmorgens und an verregneten Wochenenden schreiben.

Startkapital: 0 Franken (für ihre Zeit - acht Jahre schreiben, recherchieren, überprüfen, überarbeiten, kürzen - setzt sie keinen Wert ein).

Investitionen: Freizeit. Spesen: ca. 8000 Franken für Reisen, Telefon- und Infrastrukturkosten. Provision für den Literaturagenten: 20 Prozent des Autorenhonorars.

Einnahmen: Buchhonorar: 10 Prozent des Verkaufspreises von 39 Franken, also 3.90 Franken pro Buch, gehen an die Autorin. Davon gehen 78 Rappen an den Agenten. Bleiben 3.12 Franken. Verkaufte Exemplare seit 2002: Ca. 2500 von einer Auflage von 3000 Exemplaren. Verdienst: Geschätzte 15'000 Franken.

Breakeven: Damit eine Autorin knapp vom Schreiben leben kann, müsste ihr Buch innerhalb von zwei Jahren rund 20'000 Mal verkauft werden, pro Werktag müssten also etwa 35 Bücher über den Ladentisch gehen. Für einen Schweizer Verlag gilt ein Buch, das 6000- bis 7000-mal verkauft wird, als Bestseller. Lizenzgebühren aus Übersetzungen oder Taschenbuchausgaben gehen zu 60 Prozent an die Autorinnen und Autoren, zu 40 Prozent an den Verlag. Nach demselben Schlüssel werden Einkünfte aus Vorabdrucken verteilt.


"Wir wollen ein Day Spa!"

Carole Nicolas (43) und Carine Langenskiold (38), Besitzerinnen des Zürcher Labor Spa

Die beiden Freundinnen sassen entspannt in einem kalifornischen Day Spa, als Carine Langenskiold sagte: "Lass uns ein Spa in der Schweiz eröffnen." Carole Nicolas war elektrisiert. Da hatten sie jahrelang von einem gemeinsamen Geschäft geträumt, hin und her überlegt, wie sie ihre Erfahrungen im Kosmetik- und Sportbereich, ihr Marketing- und Finanzknowhow in einem eigenen Unternehmen zusammenführen könnten - und endlich hielten sie den Schlüssel zu ihrer beruflichen Zukunft in der Hand. Zürich, beschlossen sie gegen Ende 2003, würde sein erstes Day Spa bekommen.

Nach dem Geistesblitz war es mit der Ruhe vorbei.Weil die beiden wussten, dass Day Spas im Trend liegen und in den USA bereits weit verbreitet sind, legten sie ein Höllentempo vor. Dabei war die Ausgangslage alles andere als optimal. Carine Langenskiold lebte damals noch mit ihrer Familie in den USA und hatte gerade ihr drittes Kind bekommen. Carole Nicolas musste erst ihre Stelle in der Marketingabteilung eines Zürcher Telekommunikationsunternehmens kündigen. Doch die beiden Walliserinnen trieben ihre Idee voran, diskutierten über Geld und Standorte und überlegten, welche Angebote sie in ihr Programm aufnehmen sollten. Carine Langenskiold sammlte bei Spa-Betreibern in den USA Informationen und entwarf einen Businessplan, der ihre Freundin überzeugte.

Die Finanzierung erwies sich dennoch als besonders harte Nuss. Die Geschäftspartnerinnen konnten zwar einen grossen Betrag aus der eigenen Tasche einschiessen, aber für das Startkapital von mehr als zwei Millionen Franken waren sie zusätzlich auf einen Kredit angewiesen. Nach zähen Verhandlungen konnten die beiden "Spa-Freaks", wie sie sich selber nennen, eine Bank für ihre Idee gewinnen.

Oase mit Stil und Ambiente

Dann ging alles ganz schnell. Auf einem Internetportal fanden sie "innert zwanzig Minunten", so Carole Nicolas, ein knapp 500 Quadratmeter grosses Lokal am Talacker, einen Katzensprung vom Paradeplatz entfernt. Und ein junges Architekturbüro zauberte innert zweier Monate aus unwirtlichen, fünf Meter hohen Räumen eine Wellnessoase mit Stil und Ambiente.

Am 5. März letzten Jahres eröffneten sie mit acht Angestellten und 600 Gästen das Labo Spa, ihr Labor des Wohlbefindens. Dank grosser Resonanz in den Medien gelang ihnen ein Start wie im Bilderbuch.

Die Ansprüche, die die Geschäftspartnerinnen an sich selbst und ihr inzwischen 16-köpfiges Team stellen, sind hoch. Aber ihr Betrieb laufe schon recht gut, sagen sie. Sie seien zwar noch nicht zu hundert Prozent ausgelastet, könnten dafür aber auch flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Seit Anfang dieses Jahres zahlen sie sich insgesamt 9000 Franken Lohn aus. Das ist ein bescheidener Betrag angesichts eines Arbeitseinsatzes von rund hundert Stunden pro Woche. "Aber", sagt Carole Nicolas, "immerhin ist ein Fortschritt erkennbar. Nachdem wir monatelang rund um die Uhr umsonst gearbeitet haben."

Startkapital: Über zwei Millionen Franken für Umbau, Möblierung und Material.

Monatliche Kosten: Miete geheim (Diskretionsklausel im Mietvertrag). 500 Quadratmeter im Zürcher Kreis 1: 500 bis 1000 Franken pro Quadratmeter/Jahr, also 21'000 bis 42'000 Franken/Monat. Elektrizität, Wasser, Versicherungen: 1900 Franken. Werbung, Marketing: ca. 4200 Franken. Fremdlöhne: 71'000 Franken. Eigenlöhne: Zusammen 9000 Franken.

Breakeven: Pro Tag müssen 45 Behandlungen verkauft werden, die zwischen 50 und 350 Franken kosten. Die beiden Unternehmerinnen rechnen damit, den Breakeven Anfang des nächsten Jahres zu erreichen.


"Im Schnitt trägt man die Idee ein Jahr mit sich rum"

Rolf Meyer, Volkswirtschafter und Dozent am Institut für Management und Wirtschaftsinformatik in Solothurn, sagt, wie Firmengründerinnen am besten vorgehen. Und woran sie scheitern.

Rolf Meyer, in der Schweiz werden jährlich zwischen 15'000 und 17'000 neue Firmen gegründet. Jede sechste davon von einer Frau, macht 2500 bis 3000 Unternehmen. Von welchen Branchen träumen Frauen?

Ganz klar von der Dienstleistungsbranche. Sie eröffnen beispielsweise eine Boutique, einen Coiffeursalon oder ein Cafe oder machen ein Treuhand-, PR- oder Reisebüro auf.

Und Männer?

Die grosse Mehrheit ihrer Neugründungen sind im Hightechbusiness angesiedelt. Männer widmen sich also Sparten wie der Nanotechnologie, Mikroelektronik oder Medizinaltechnik.

Warum machen sich Frauen selbstständig?

Sie suchen Unabhängigkeit und wollen ihre Ideen und Träume verwirklichen. Da hat eine Frau jahrelang als Sekretärin gearbeitet, dabei gehört ihre wahre Liebe der Gastronomie oder den Pflanzen. Eines Tages wagt sie den Schritt und eröffnet ihren eigenen Blumenladen oder ihre Bar. Wer Kinder hat, verspricht sich von der Unternehmensgründung flexible Arbeitszeiten und einen kompatiblen Arbeitsplatz, in der Regel daheim. Eine untergeordnete Rolle spielen hingegen finanzielle Anreize und die Aussicht auf mehr Prestige, jene Motive also, die fur männliche Jungunternehmer zentral sind.

Entscheiden sich Frauen auch für den Schritt in die Selbstständigkeit, weil sie den Konkurrenzdruck und die Machtkämpfe in den grösseren und grossen Firmen satt haben?

Frauen machen sich durchschnittlich mit 37 Jahren selbstständig, Männer mit 38.5 Jahren. Das spricht tatsächlich dafür, dass Frauen unzufriedener mit ihrer Situation als Angestellte sind und schneller eine Alternative suchen.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um mit einem Kleinunternehmen Erfolg zu haben?

Der Kern ist eine überzeugende Geschäftsidee: Was biete ich wem an? Wer keine klaren Vorstellungen hat und Vorabklärungen eine Pizzeria eröffnet, obwohl es bereits drei im Quartier gibt, wird Schiffbruch erleiden. Ausserdem muss man sich über die Massen engagieren: Aquisition, Administration, Werbung, Verkauf - letztlich ist man für alles verantwortlich und verdient vor allem am Anfang oft nicht viel. Ganz wichtig ist auch der Mut, sich zu exponieren. Es braucht eine gehörige Portion Extrovertiertheit, sonst bleibt man auf seinem Angebot sitzen.

Worin unterscheiden sich weibliche und männliche Jungunternehmer?

Frauen packen ihre Firmengründungen sorgfältiger an. Sie machen bessere Kunden- und Konkurrenzanalysen und sind vorsichtiger, was den Umgang mit Geld betrifft. Männer sind draufgängerisch, oft auch blauäugig oder gar fahrlässig. Sie sind mitunter so begeistert von ihrem Angebot, dass sie ihre potenzielle Kundschaft und deren Bedürfnisse aus den Augen verlieren. Damit begehen sie den Kardinalfehler jedes Unternehmers.

Wie viel Zeit nimmt eine Firmengründung in Anspruch?

Im Schnitt trägt man die Idee ein Jahr mit sich herum, sondiert in dieser Zeit den Markt und trifft eine Entscheidung. Von da an noch rund drei Monate, in denen man mit vollem Einsatz arbeitet. Dann ist es in der Regel so weit.

Wie viel Geld braucht es?

Die Mehrheit verfügt über ein Startkapital von weniger als 50'000 Franken. Das ist ein Betrag, den man im schlimmsten Fall auch aus seiner Penionskasse nehmen kann. Wobei das Plündern der eigenen Pensionskasse für mich die allerletzte Option wäre und nur dann in Frage käme, wenn meine Abklärungen ergeben haben, dass mein Geschäft wirklich Erfolg versprechend ist.

Woher sollen denn Frauen, die nicht über das nötige Eigenkapital verfügen, das Geld nehmen? Nach Aussagen verschiedener Interviewpartnerinnen soll die Chance, als Einfrauunternehmerin einen Bankkredit zu bekommen, gegen Null tendieren.

Ich kenne diese Klagen sehr gut. Wenn wir Fragebögen verschicken, bekommen wir jeweils seitenlange erboste Kommentare zu diesem Thema. Die Grossbanken geben sich zwar inzwischen wirklich Mühe, um auch einmal einer angehenden Boutiquebesitzerin oder einer Beizerin finanziell unter die Arme zu greifen, aber letztlich sind und bleiben diese Kleinstunternehmen kleine Nummern für sie. Da bleibt der Jungunternehmerin nichts anderes übrig, als die Triple-F-Finanzierung über Familiy, Friends - (lacht) and Fools anzupeilen.

Wieso Fools, also Dummköpfe? Frauen sollen doch sehr sorgfältig sein im Umgang mit Geld.

Natürlich, Frauen sind tatsächlich sehr vorsichtig in Finanzfragen. Sie zahlen Kredite früher zurück als Männer, um so schnell wie möglich von Fremdkapital unabhängig zu sein. Ihre Devise lautet: Lieber den Gürtel noch eine Zeit lang enger schnallen als vor einem Schuldenberg stehen.

Wie gelingt es trotz beschränkter Finanzen, für das eigene Geschäft Werbung zu machen?

Das hängt stark von der jeweiligen Branche ab. Im Tourismus oder in der Kommunikationsbranche ist eine eigene Website unerlässlich. Als Bar- oder Boutiquebesitzerin sollte ich den Zugang zu den Medien suchen und dafür sorgen, dass über mein Geschäft berichtet wird. Dafür brauche ich kein Geld, wohl aber den Mut, Journalisten zu kontaktieren. Die Mitgliedschaft in Netzwerken erlaubt gezielte Rundmails mit Einladungen zu einem Apéro oder einem Tag der offenen Tür. Dazu kommt in nahezu allen Bereichen Mundpropaganda.

Wie stehen Sie zu Partnerschaften? Ist geteilte Freude wirklich doppelte Freude?

Ich plädiere dafür, einen Einfraubetrieb zu gründen und nur bei Bedarf mit jemandem zu kooperieren. Macht man alles zu zweit, braucht es schon sehr glückliche Umstände, damit es klappt. Die Arbeitsteilung muss stimmen, der Umgang mit dem Geld, die Zukunftsplanung. Im IT-Bereich hatten wir viele Geschäftspaare, der eine Techniker, der andere Verkäufer. Eine Superkombination, würde man meinen. Trotzdem haben sich die meisten über kurz oder lang verkracht.

Wie erfolgreich entwickeln sich die Einfrauunternehmen über die Jahre?

Auf jeden Fall erfolgreicher als jene von Männern, von denen nur die Hälfte die ersten fünf Jahre überlebt. Bei den Einfrauunternehmen sind es rund zwei Drittel. Diese äussern sich in Untersuchungen sehr zufrieden über ihre berufliche Situation. Fragt man sie allerdings nach ihren Finanzen, müssen die meisten zugeben, dass es nicht besonders rosig aussieht. Das heisst, allein der Umstand, dass sie ihr eigenes Geschäft haben und unabhängig sind, macht viele Frauen schon happy.

Damit wird das eigene Unternehmen zum teuren Hobby.

Diesen Vorwurf höre ich immer wieder von Männern. Sie sagen, viele Firmen von Frauen bestünden nur weiter, weil sie dank des Einkommens ihres Ehemanns gar nicht darauf angewiesen seien, einen Gewinn zu erwirtschaften. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Ist deshalb die Bereitschaft von Frauen, ihr Geschäft zu vergrössern, nicht sehr grass?

Rund sechzig Prozent sagen tatsächlich, dass sie allein bleiben wollen. Grösse setzen sie mit dem Verlust ihrer Unabhängigkeit und Flexibilität, der belastenden Verantwortung für Angestellte und Stress gleich. Ein Drittel ist bereit, zwei, drei Angestellte zu beschäftigen, aber auf keinen Fall mehr. Eine Minderheit von zehn Prozent hat nach fünf Jahren zehn und mehr Mitarbeitende angestellt.

Woran scheitern Kleinunternehmen?

Nur rund ein Viertel der eingegangenen Firmen geht Konkurs; drei Viertel geben freiwillig auf und hinterlassen in der Regel keinen grossen Schuldenberg. Fragt man nach den Gründen für ihr Scheitern, lautet die Standardantwort: Mangel an Kapital. Das aber ist nur die Folge des Misserfolgs: Die Ursache liegt in falschen Verkaufsstrategien.

Können Sie Beispiele nennen?

Da hat die Besitzerin einer Boutique an Randlage unterschätzt, wie wichtig Laufkundschaft wäre. Oder der Reiseunternehmerin ist entgangen, dass ihre Touren ihren Geschmack befriedigen, aber nicht den des Zielpublikums. Und die Flachmalerin hat zu spät gemerkt, dass sie ausserhalb des Bekanntenkreises neue Kundschaft gewinnen muss.


Wer hat statistisch bessere Aussichten auf Erfolg?

Plus: 1. Frauen, 2. Personen mit grosser Berufs- und Lebenserfahrung, 3. Menschen mit einem grossen Beziehungsnetz, 4. Einzelunternehmungen mit persönlicher Haftung, 5. Kreative und innovative Unternehmer und Firmengründerinnen, 6. Kreditwürdige Personen.

Minus: 1. Personen mit bescheidener Schulbildung, 2. Personen mit praxisfernem und zu spezialisiertem Abschluss, 3. Hausfrauen ohne Berufserfahrung, 4. Firmen im Bereich Erwachsenenbildung, Kunst und Kultur, 5. AGs oder GmbHs.

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© Barbara Lukesch