Wo Networking am meisten bringt

Frauen vernetzen sich / Nr. 2 / 2003, "Annabelle"

Symbolbild Thema Frauen

Die Zürcherin Barbara Kux (49) gilt als erfolgreichste Schweizer Managerin der Gegenwart. Das US-Magazin «Fortune» führt die Vizepräsidentin von Ford Europe auf Platz 13 in der aktuellen Rangliste der wichtigsten Wirtschaftsfrauen ausserhalb der Vereinigten Staaten.

Einen der Gründe für ihren beruflichen Aufstieg bis in die Europa-Zentrale des amerikanischen Autogiganten sieht Kux im jahrelangen, konsequent betriebenen Networking. Sie ist seit langem überzeugt, dass sich Kaderfrauen unbedingt in die bestehenden einflussreichen Männernetzwerke einreihen sollten: «Geholfen haben mir insbesondere meine Verbindungen zur Business School Insead in Fontainebleau, an der ich 1984 den MBA gemacht habe, zu meinem ehemaligen Arbeitgeber McKinsey sowie zum Weltwirtschaftsforum in Davos, wo ich zu einem «Global Leader of Tomorrow» ernannt wurde.» In den osteuropäischen Ländern, in denen sie zwischen 1989 und 1999 für ABB und Nestlé tätig war, hat sich die Schweizerin stets in die lokalen Managernetzwerke integriert: «Meine enge Einbindung in den polnischen Industrieverband zum Beispiel hat wesentlich zum erfolgreichen Auf- und Ausbau der Geschäfte von Nestlé in Polen beigetragen.»

Mit dieser Auffassung stand Kux bis vor kurzem ziemlich einsam da. Denn das Gros der hiesigen Unternehmerinnen und Kaderfrauen bevorzugt nach wie vor die Mitgliedschaft in rein weiblichen Organisationen wie Nefu (Netzwerk für Einfrauunternehmerinnen), Frauen.unternehmen oder BPW (Swiss Federation of Business & Professional Women). Dort finden die Frauen eine gewisse Nestwärme; sie pflegen den Gedankenaustausch in trauter Runde, helfen einander mit Ratschlägen, laden Sorgen ab und organisieren Fortbildungskurse - überwiegend geleitet von Frauen. Dass die wirtschaftliche Bedeutung dieser Clubs marginal ist, schien lange Zeit niemanden zu stören.

Sinneswandel

Mittlerweile allerdings sind deutliche Anzeichen für einen Sinneswandel auszumachen. Die Erkenntnis scheint sich allmählich durchzusetzen, dass einflussreiche Positionen ohne systematisch betriebene Beziehungsarbeit zu einflussreichen Männerzirkeln nicht zu haben sind. Immer mehr Frauen begreifen, was Alice Stümcke, Inhaberin der Werbeagentur Favo Communications und ehemalige Chefin der Papierfabrik Tela, auf einen einfachen Nenner bringt: «Die Wirtschaft ist nicht weiblich - wer als Unternehmerin oder Managerin trotzdem nur in Frauengruppen verkehrt, spielt auf einem Nebenschauplatz und limitiert sich selbst.»

Mit anderen Worten: Die Karrierechancen von Frauen sind grösser, wenn sie es schaffen, von den grösstenteils männlichen Machtträgern wahrgenommen und respektiert zu werden. Dazu braucht es nebst traditionellen Tugenden wie Sachkompetenz, Fleiss, Stehvermögen und Durchschlagskraft vor allem das Selbstbewusstsein und den Mut, in Männerhochburgen zu verkehren. Denn die Entscheidungsträger, die Frauen Türen öffnen und sie an der richtigen Stelle weiterempfehlen können, sitzen grösstenteils nicht in Frauennetzwerken, sondern - zum Beispiel - in der Swiss-American Chamber of Commerce.

Männer verfügen über eine lange Tradition, sich mit ihresgleichen zusammenzuschliessen. Sie sind begnadete Vereinsmeier, lieben Zunftanlässe, Rotarier-Lunches und Abende im Kreis der Offiziersgesellschaft. Frei von Skrupeln nutzen sie diese engen Verflechtungen, um einander Posten und Mandate zuzuschieben. Fredy Isler, Executive Search bei den Unternehmensberatern von Spencer Stewart, ist ein Paradebeispiel für einen weit verzweigten Netzwerker. Er war jahrelang als FDP-Politiker aktiv, dazu Hauptmann im Militär, ist Mitglied des Lions Club sowie einer Studentenverbindung und profitiert in besonderem Mass von seinen Kontakten, die er in seiner langjährigen Karriere als national bekannter Handballspieler geknüpft hat. «Ohne meine Handballbeziehungen», gesteht Isler, «hätte ich beruflich weniger Erfolg.»

Merkwürdige Angst

Frauen hingegen haben oft ein ambivalentes Verhältnis zum Networking. Sie treten zwar bereitwillig ihrem Branchenverband, einer Partei oder Gewerkschaft bei. Doch wenn es dann darum geht, die Beziehungen zu nutzen, befällt sie eine merkwürdige Angst, sich von jemandem abhängig zu machen und sich eines Tages mit einer Dienstleistung revanchieren zu müssen, die sie vielleicht nicht verantworten können. Frauen, so scheint es, wollen ihre Ziele ausschliesslich aus eigener Kraft erreichen. Vielen widerstrebt die Vorstellung zutiefst, auch dank einer Empfehlung zu einer neuen Stelle zu kommen. Zudem mangelt es den meisten an Einsicht, wie modernes Networking funktioniert: Aktive Beziehungspflege ist ein Langzeitprojekt, das die ersten Früchte unter Umständen erst nach Jahren abwirft.

So verdankt die Journalistin Esther Girsberger, einst Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers», ihrem inzwischen fast zwanzig Jahre zurückliegenden Dienst im Schweizer Armeestab mannigfaltige Beziehungen: «Das Militär», sagt sie unumwunden, «ist für mich das Netzwerk mit dem grössten Nutzen.» Dort habe sie zahlreiche prominente und einflussreiche Männer kennen gelernt, auf deren Unterstützung sie dank verbindender Diensterfahrungen noch heute zurückgreifen könne. Auch die Unternehmerin Alice Stümcke betont, dass ihre Mitgliedschaft in den Alumni-Organisationen ihrer einstigen Arbeitgeber Procter & Gamble beziehungsweise Boston Consulting Group für sie nach wie vor eine erspriessliche Ressource darstelle: «Dank diesen teilweise jahrzehntelangen Kontakten komme ich zu Informationen, auch vertraulicher Art, die sich mir sonst niemals erschliessen würden.»

Formelle und informelle Netzwerke

Wie aber soll sich die junge Managerin zu Beginn ihrer Karriere vernetzen, wenn ihr die Türen zu einflussreichen Zirkeln noch nicht offen stehen? Anita Fetz, Unternehmerin und SP-Nationalrätin, rät dazu, sich zunächst Rechenschaft über die eigenen Bedürfnisse und Ziele abzulegen und danach die Organisationsform zu finden, die individuell am besten passt. Wobei frau sich dann möglicherweise auch für eine individuelle Form der Beziehungspflege entscheidet. So praktiziert es beispielsweise die ehemalige Swissair-Sprecherin Beatrice Tschanz, heute Mitglied des Managements von Centerpulse. «Ich war nie in einer Partei, einem Verband oder in einem Club», sagt sie, «bin aber gleichwohl Teil des informellen Netzwerks der Medien und kenne sehr viele Leute, mit denen mich ein ausgewogenes Geben und Nehmen verbindet.» Einem solchen Kontakt hatte sie beispielsweise ihre einstige Verpflichtung als Marketing- und Kommunikationsverantwortliche bei Jelmoli zu verdanken. Ohne diesen «Freundschaftsdienst», spekuliert sie, wäre die Anstellung womöglich nicht zu Stande gekommen.

Manche Frauen favorisieren kleine, überschaubare Gruppierungen, in denen sie ihre Kolleginnen und Kollegen im Rahmen von Arbeitssitzungen besser kennen lernen und damit auch zu beurteilen vermögen, wann sie auf wen mit einem Anliegen zugehen können. Daher schätzt Girsberger überblickbare Aufsichtskommissionen, Stiftungsräte und Vorstände. So lernte sie etwa im Rahmen der Arbeit im Verwaltungsrat der jüdischen Wochenzeitung «Tachles» auch den Sulzer-Investor René Braginsky besser kennen.

Die Zürcher Unternehmensberaterin Franziska Müller Tiberini wiederum tanzt auf verschiedenen Hochzeiten. Zum einen hat sie Frauen.unternehmen mitbegründet und damit ein Sammelbecken für Kleinstunternehmerinnen geschaffen, die sich mit dem als verstaubt wahrgenommenen Gewerbeverband nie anfreunden konnten. Seit mehr als zwanzig Jahren ist sie bei der BPW (Business & Professional Women) dabei. Dazu präsidierte sie die Zürcher Gesellschaft zu Fraumünster, kurz Frauenzunft, in der sie in erster Linie ihr Interesse an der weiblichen Geschichte Zürichs befriedigt. Als ehemalige Firmenchefin trat sie sodann der Young Presidents' Organisation (YPO) bei, in der sie als Frau zwar eine Exotin ist, sich als Mitglied des Vorstands aber gleichwohl in Szene zu setzen und beruflich wertvolle Kontakte zu knüpfen verstand.

Nette Behandlung, na und?

Deutlich weniger Präsenz markiert Franziska Müller Tiberini im Harvard Club, jenem elitären Zirkel mehrheitlich männlicher Harvard-Absolventen, die sich regelmässig im Zürcher «Zunfthaus zum Rüden» zum Lunch treffen oder den Vorträgen hochkarätiger Wirtschaftsführer lauschen. Müller Tiberini, die ihre Managementausbildung in Harvard erworben hat, konstatiert ungerührt: «In diesem Club werde ich zwar nett behandelt, finde mit meinen beruflichen Interessen und Prioritäten jedoch selten einen gemeinsamen Nenner.»

Wo lohnt es sich sonst noch, Mitglied zu werden? Erfahrene Beobachterinnen und Beobachter nennen etwa die Vereinigung der Ehemaligen der Universität St. Gallen, HSG Alumni, der viele einflussreiche Wirtschaftsleute angehören. Der Frauenanteil beträgt dort mittlerweile 17 Prozent - bei steigender Tendenz auf Grund des kontinuierlich wachsenden Anteils von Studentinnen. Im Vorstand des HSG Alumni sind heute vier weibliche Ehemalige aktiv; die Geschäftsführung liegt in Frauenhand. Generell gelten Absolventen- und Ehemaligenvereine als potente Organisationen, deren Mitglieder einander gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Besonders bekannt für die Loyalität und Treue unter seinen Mitgliedern ist der Alumni McKinsey, den Barbara Kux als «grosse Familie» bezeichnet.

Die Zürcher FDP-Parlamentarierin und Juristin Vreni Spoerry verdankt vor allem ihrer politischen Tätigkeit, aber auch ihrer Mitarbeit in hochkarätigen Verwaltungsräten wie jenen von Nestlé, Credit Suisse, Swissair und der «Zürich»-Versicherung zahlreiche Kontakte, die ihr in ihrer langjährigen Berufs- und Politkarriere wertvolle Dienste erwiesen haben.

Der Ruf von Auslaufmodellen hingegen hängt inzwischen den einst hoch angesehenen Serviceclubs wie Rotary und Kiwanis an. Obschon hier seit knapp zehn Jahren auch Frauen Zugang haben, nehmen nur wenige dieses Angebot wahr. Die Aura eines Altherrenclubs mit starrem wöchentlichem Präsenzzwang bei bröckelnder Bedeutung wirkt nun einmal nicht besonders anziehend auf die moderne Managerin.

Betonung auf Jung

Zukunft könnte indessen ein Modell haben, das beim Zürcher Grasshopper-Club vor kurzem verwirklicht worden ist. Weil sich die Geldgeber Rainer E. Gut und Fritz Gerber aus dem Fussballgeschäft zurückziehen wollen, haben sie den Griffith-Club lanciert. Das ist ein Businessclub, der in erster Linie Geld für den Profifussball beschaffen soll, und dessen Exklusivität und gesellschaftliche Bedeutung in einem potenziell glamourösen Umfeld anziehend für Topshots männlichen und weiblichen Geschlechts wirken soll.

Als Mitglieder des Griffith-Club sind ausschliesslich «junge, erfolgreiche Persönlichkeiten im Alter zwischen 30 und 45 Jahren» zugelassen - Frauen und Männer also, die in Wirtschaft und Politik eine wichtige Rolle spielen oder noch spielen wollen. Vermieden werden soll eine Überalterung des Zirkels und damit sein Absinken in die Bedeutungslosigkeit. Heute zählt der Griffith-Club sechzig Mitglieder. Neun davon sind Frauen, darunter Doris Aebi, Headhunterin bei Bjørn Johansson Associates, und die Unternehmerin Alice Stümcke. Selbst Beatrice Tschanz hat für einmal ihren Widerwillen gegen institutionelle Netzwerke überwunden und sich für das Patronatskomitee gewinnen lassen: «Es hat mich gereizt, in einem Verein dabei zu sein, in dem Frauen von Anfang an eine Rolle spielen.»

Wie hilfreich solche Businessclubs sein können, zeigte sich schon bei der Gründungsversammlung, wo sich Tschanz ausserordentlich gut mit ihrem Tischnachbarn, dem ehemaligen englischen Fussballstar und -weltmeister Sir Bobby Charlton verstand. Dieser, erfuhr sie, möchte gerne seine Biografie schreiben lassen. Nun will sich Tschanz entweder selbst an die Arbeit machen oder zumindest ihre Kontakte nutzen, um Sir Bobby eine geeignete Autorin oder einen Autor zu verschaffen.

In gemischtgeschlechtlichen Netzwerken sind Frauen in der Minderheit: Im Netzwerk-Sonderfall Armee stellen sie kein halbes Prozent, aber auch im businessorientierten Griffith-Club erreichen sie nur gerade 15 Prozent.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

© Barbara Lukesch