Bis dass der Funke springt

Frauen und Geld / August 2002, "Wir Eltern"

Symbolbild Thema Frauen

Frauen reden leidenschaftlich gern über Kalorien, Kleider, neue Kinofilme und den "dunkelhaarigen Typ mit der guten Figur". Über Geld hingegen sprechen Frauen nie und schon gar nicht freiwillig: "Oder haben Sie schon einmal zwei junge Frauen erlebt, die die heissesten Börsentipps austauschen?" fragt die Zürcher Zukunftsforscherin und Frauenförderin Monique R. Siegel, eine Expertin mithin, der niemand Voreingenommenheit gegenüber dem eigenen Geschlecht vorwerfen würde.

Es ist und bleibt eine Tatsache: Frauen sind in aller Regel nicht an Geld interessiert. Ihr Verhältnis zu Franken, Euros und Dollars ist von Gleichgültigkeit und, schlimmer noch, oft auch Unwissen geprägt. Die 48jährige Familienfrau Ulrike K. lässt sich Monat für Monat ihr Haushaltsgeld in der Höhe von 2000 Franken bar von ihrem Mann auf die Hand zählen, versteckt diesen Betrag "irgendwo in der Wohnung" und hatte schon mehr als einmal ihre liebe Not, das Geld wiederzufinden. Die Einrichtung eines eigenen Kontos weist sie dennoch weit von sich: "Ich bin einfach kein Bankenmensch", seufzt sie vernehmlich und erweckt den Eindruck, als grenze es an Hexerei, sich in der undurchschaubaren Welt der Finanzen zurechtzufinden.

"Viele Frauen", weiss die Berner Finanzplanerin Bettina Michaelis, "haben zu grossen Respekt vor dem Thema Geld, das sie nach wie vor als eine Domäne der Männer betrachten."

"Ich bin, was ich habe"

Männer, so viel steht fest, sind brennend an Geld interessiert. Sie leben bewusst oder unbewusst nach dem Motto "Ich bin, was ich habe" und machen ihren gesellschaftlichen Status, ihren persönlichen Wert und nicht selten auch ihren Sex-Appeal von der Höhe ihres Einkommens abhängig. Während Frauen Geld sehr viel nüchterner als Mittel zum Zweck sehen, ein Abstraktum geradezu, kalt und unsinnlich, das ihnen bestenfalls erlaubt, Reisen, Weiterbildung oder den Gitarrenunterricht für ihre Kinder zu bezahlen, ist es für Männer häufig ein hochbesetztes Objekt der Begierde, das es um seiner selbst willen zu vermehren gilt. Das weibliche Desinteresse am schnöden Mammon lässt gern den Eindruck entstehen, als sei Geld eine Bagatelle, ein notwendiges Übel sozusagen, nicht der Rede wert.

Auf diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Frauen in Finanzangelegenheiten immer wieder das Nachsehen haben. Die eine vertraut ihrem Gatten blind und muss eines Tages realisieren, dass er ihre gesamte Barschaft verspekuliert hat. Die andere haushaltet so sparsam wie nur möglich und erfährt plötzlich, dass sich ihr Liebster für Tausende von Franken einen neuen Computer gekauft hat. Die 39jährige Monika Z., alleinerziehende Mutter von drei schulpflichtigen Kindern, verzichtet freiwillig auf ihre persönliche Unterhaltszahlung, weil sie den Eindruck hat, ihrem Ex-Mann gehe es "finanziell nicht so gut."

Geld ist weltweit ungleich verteilt. Frauen leisten zwar zwei Drittel der Arbeit, verfügen aber nur über ein Zehntel des Einkommens. Hierzulande müssen selbst hochqualifizierte Berufsfrauen damit rechnen, dass sie für die gleiche Arbeit rund zwanzig Prozent weniger Lohn als ihr Kollege erhalten. Jene Mutigen, die bei ihren Vorgesetzten um eine Gehaltserhöhung nachsuchen, lassen sich an wenigen Fingern abzählen. Wesentlich schneller sind Frauen zur Stelle, wenn es darum geht, die eigene Arbeit, hart ausgedrückt, abzuwerten. Wie jene PR-Expertin beispielsweise, die ein Mandat für einen hochkarätigen Kunden, für den sie wochenlang im Einsatz war, im Nachhinein zu ihren Ungunsten erfolgs- statt zeitabhängig verrechnete: "Ich war mit meiner Leistung nicht zufrieden", erklärt sie mit ernster Miene, "und wäre mir schäbig vorgekommen, meinem Auftraggeber meinen gesamten Zeitaufwand zu belasten."

Frauen arbeiten lieber ehrenamtlich

Übervertreten sind Frauen immer dann, wenn es ehrenamtliche oder sogenannte Freiwilligenarbeit zu erledigen gibt. Rund 30 Prozent von ihnen sind innerhalb der Nachbarschaftshilfe oder bei der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger tätig - gratis und franko, versteht sich. Für Gottes Lohn arbeiten auch immer noch die sechzig Prozent jener Mütter mit Kindern unter sieben Jahren, die sich ausschliesslich der Familie widmen und damit finanziell auf ihren Ehemann angewiesen sind. Auch wenn die Betroffenen ihre Beziehung meistens als intakt bezeichnen, wird sie nach Einschätzung der Zürcher Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin "von einer entwürdigenden Abhängigkeit geprägt, die eine grosse Belastung für jede Partnerschaft darstellt." Deutlich wird dieser Tatbestand immer dann, wenn sich die fleissige Hausfrau in Schuldgefühlen oder Ressentiments verstrickt, weil sie ihren Gatten um 89 Franken für einen neuen Badeanzug bitten muss. Viele geben zu, dass sie sich in solchen Momenten wie Schmarotzerinnen fühlen, die auf Kosten eines anderen leben.

Kommt endlich das eigene Geld, womöglich gerad' millionenschwer in Form einer Erbschaft, reagieren die vermeintlich Glücklichen oft mit Überforderung, Schock und Angst. Die einen befürchten, fortan nur noch wegen ihres Geldes geliebt zu werden; andere, am Neid ihrer Umgebung zu zerbrechen. Beide Klippen umschiffen jene, die das hässliche Geld gar nicht erst anrühren und so tun, als wäre nichts geschehen.

Warum nur sind Frauen in Sachen Geld so passiv und anspruchslos?

Zukunftsforscherin Siegel taxiert dieses Verhalten als "Folge einer patriarchalen Erziehung, die Mädchen glauben lässt, dass eines Tages der Märchenprinz auf seinem weissen Ross dahergesprengt kommt und sie in seine Villa im Grünen entführt." Eine Vorstellung, so Siegel, die der Realität schon lange nicht mehr standhalte. Knapp die Hälfte aller Ehen werde bekanntlich geschieden. Frauen leben rein statistisch rund sechs Jahre länger als Männer. "Ganz zu schweigen von all den Märchenprinzen", so Siegel maliziös, "die sich innert Kürze als Zwergnase entpuppen."

Keine ökonomische Eigenverantwortung

All diesen Unwägbarkeiten zum Trotz beherzigen Frauen offenbar den berühmten Satz der französischen Feministin Simone de Beauvoir, wonach jeder Mensch ökonomisch eigenverantwortlich sei, immer noch nicht. Im tiefsten Inneren ist Geldverdienen für viele von ihnen nur eine mögliche Lebensvariante, aber keineswegs das Lebensziel, dass es für Männer darstellt. "Frauen", weiss Paartherapeutin Welter-Enderlin, "lassen sich auch heute noch ganz gern versorgen und delegieren ihre Geldangelegenheiten oft mit erstaunlicher Naivität an ihre Ehemänner."

Geld, darin sind sich die Fachleute einig, repräsentiert für Frauen eben auch etwas, das viele abstösst. Geld ist Macht, und Macht ist männlich. Wer sich der unappetitlichen Raffgier und dem Geldscheffeln verschreibt, büsst über kurz oder lang seinen weiblichen Liebreiz, seinen Charme und seine Attraktivität ein. Gefragt auf dem Heiratsmarkt sind aber nur Frauen, die sich dem Schönen, Sauberen, Sozialen und Künstlerischen widmen. Übertrieben? All jene Frauen, die mehr als ihr Partner verdienen, können auf jeden Fall ein Lied davon singen, wie konfliktträchtig das Thema Geld in ihrer Ehe und wie kränkbar ihr Liebster bei dessen Erwähnung ist.

Selbst der Volksmund verfügt über zahlreiche Sinnsprüche und Redewendungen, die den hässlichen Aspekt des Geldes beleuchten: Geld verdirbt den Charakter. Beim Geld hört die Liebe auf. Wer zahlt, befiehlt. Geld regiert die Welt. Geld stinkt. Dass Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, Geld in die Nähe von Kot rückt und den individuellen Umgang der Menschen mit Geld von ihrer Sauberkeitserziehung ableitet, erleichtert es Frauen auch nicht gerade, sich dem schwierigen Stoff unbeschwert anzunähern.

Ausgehend von der Idee, wer sich mit Geld befasse, mache sich die Hände dreckig, will ein Teil der Männer - ganz im Stil eines alten Kavaliers - seinen Partnerinnen das Finanzgeschäft nicht zumuten. Der andere, vermutlich grössere Teil traut es ihnen schlicht nicht zu. Dabei ist weder Finanzplanung noch Geldanlegen nach Aussagen der Buchautorin Bettina Michaelis* "besonders kompliziert oder unbegreiflich." Kundinnen in Banken und Versicherungen fühlen sich, so Michaelis, oft deshalb so schnell überfordert, weil sie dem Fachjargon des Beraters nicht folgen können: "Eine allgemein verständliche Sprache würde die Kundin von ihrer Unsicherheit befreien und ihr das Gefühl geben, mitreden zu können."

Das Knowhow wäre vorhanden

Immerhin hat das weibliche Geschlecht jahrhundertealte Erfahrung im Verwalten des Haushaltsbudgets. Rund zwei Drittel des privaten Konsums werden denn auch hierzulande von den emsigen, tugendhaften Hausfrauen gemanagt. Wer wollte bestreiten, dass Frauen wahre Meisterinnen im Dehnen und Strecken selbst bescheidenster Geldmengen sind. Diesen Teil der Finanzen überlassen Männer ihren Frauen seit jeher gern; das kleine Geld sollen sie nur betreuen, assistiert von den Budgetberaterinnen, einem Berufsstand, der nach wie vor ganz in Frauenhand liegt. Die Herren der Schöpfung hingegen widmen sich der Vermögensverwaltung. Grosse Finanztransaktionen erfordern offenbar den männlichen Zugriff.

Doch nach und nach wächst eine Frauengeneration heran, die beruflich genauso gut qualifiziert wie ihre männlichen Altersgenossen ist und nicht zuletzt deshalb ein selbstbewussteres und unbefangeres Verhältnis zu Fragen wie Gehalt und Vermögen an den Tag legt. Auch wenn diese Frauen, gemäss Fachleuten, heute noch "eine verschwindende Minderheit" bilden, zeigt sich an ihnen, dass Frauen eine grosse Begabung für das erfolgreiche Finanzmanagement mitbringen.

So stellt die Zürcher Headhunterin Rita Baechler immer wieder fest, dass Firmenchefinnen und Managerinnen "ein sehr sicheres Gefühl im Umgang mit Geld haben, dass sie behutsam und umsichtig entscheiden und sich nicht von unkalkulierbaren Risiken leiten lassen." Während Männer oft auf "Rendite um jeden Preis" abfahren und das "Maximum" anstreben, würden Investorinnen das "Optimum" suchen und ihre Entscheide immer auch von Faktoren wie Ethik, Ökologie und Sicherheit abhängig machen. Monique R. Siegel konstatiert kurz und knapp: "Frauen haben genau die Eigenschaften, die es für ein erfolgreiches Finanzmanagement braucht: Entschlusskraft, Realismus, Beharrlichkeit, Ausdauer und Sparsamkeit."

Zum Einsatz bringen Frauen diese Qualitäten allerdings meist erst in der Stunde der Wahrheit, wenn ihr Gatte stirbt oder sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Ehe stehen.

Böses Erwachen

Im Fall einer Scheidung erfolgt dann oft das böse Erwachen, denn die Zeit, in der Scheidungstag auch Zahltag war und Frauen ihre jahrelangen in der Ehe erlittenen Frustrationen und Kränkungen mit einer satten Unterhaltszahlung aufgewogen bekamen, ist weitgehend vorbei. 45jährige und ältere Hausfrauen, denen die Gerichte im Fall einer Scheidung früher keine eigene Erwerbsarbeit mehr zumuteten, sind heute gezwungen, selber nochmals anzupacken und berufstätig zu werden. Tröstlich ist immerhin, dass das seit 2000 geltende Scheidungsrecht auch für die zweite Säule der Altersvorsorge das Splitting vorsieht. Mit anderen Worten: Die während der Ehe einbezahlten Pensionskassenbeiträge müssen halbiert und an beide Partner verteilt werden.

Eine der berühmtesten Frauen, die sich erst unter dem Eindruck eines Schicksalsschlags finanziell emanzipierte, ist die Französin Barbe-Nicole Clicquot. Als ihr Mann starb, entschloss sich die Unternehmersgattin, seine Firma weiterzuführen. Dass sie das mit grossem Geschick und überzeugender Innovationskraft tat, zeigt die Erfolgsgeschichte jenes Champagners, dem sie ihren Stempel und Namen aufdrückte: Veuve Cliquot - Witwe Cliquot.

Damit der Funke zwischen den Frauen und dem lieben Geld endlich etwas früher überspringt, will Zukunftsforscherin Siegel die Schulen in die Pflicht nehmen. So fordert sie, dass innerhalb der Lebenskunde auch das Thema Finanzen aufgegriffen wird: "Das Kondom und seine Anwendung gehören inzwischen zum Pflichtstoff", konstatiert Siegel nüchtern, "jetzt fehlen nur noch das Erstellen eines Budgets und die Berechnung der Aktienkurse."

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© Barbara Lukesch