Deckname Moses

Zugs Revoluzzer / November 2010, "Zuger Neujahrsblatt"

Symbolbild Thema Porträts

Hans-Peter Roth, eines von sechs Gründungsmitgliedern der Zuger RML, verstand sich von Anfang an als Berufsrevolutionär. Mit dieser Selbsteinschätzung war es dem damals Zwanzigjährigen ernst, sehr ernst sogar. Heute, mit sechzig Jahren, trägt Roth immer noch einen kleinen Pferdeschwanz, inzwischen aber auch ein kleines Bäuchlein. Er schmunzelt ein bisschen, als er sich an das grosse Wort "Berufsrevolutionär" erinnert, das er damals wie selbstverständlich im Munde führte. Tatsächlich hatte der gelernte Bankkaufmann nie vor, seine Ausbildung in die bürgerliche Praxis umzusetzen. Sein Ziel war die sozialistische Revolution. Dafür nahm er ein "Leben im Gegenwind" in Kauf und den Verzicht auf eine eigene Familie. Seinen Unterhalt bestritt er mit den 1200 Franken, die er jeden Monat als Privatsekretär bei einem über siebzigjährigen Zürcher Erfinder verdiente. Diesem war die politische Gesinnung seines Teilzeitmitarbeiters egal.

Haro, wie seine Freunde ihn nannten, konnte sich denn auch erlauben, in Zug als Redner an RML-Veranstaltungen aufzutreten, Flugblätter mit seinem Namen zu zeichnen oder in der Presse mit markigen Sätzen auf die Parteianliegen aufmerksam zu machen: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", sagte er den Medien anlässlich eines vorweihnachtlichen Hungerstreiks, den einige Genossen anfangs der siebziger Jahre durchführten, um die Diskrepanz zwischen dem Konsumwahn der Ersten und dem Hunger in vielen Ländern der Dritten Welt aufzuzeigen.

Das goldene Kalb

Innerhalb der parteieigenen Sicherheitsstufen rangierte Roth auf Stufe 4: "Genosse ohne besondere Einschränkung." Auf Stufe 1 stand Ruedi Amrein, seit mehr als vierzig Jahren Eicher beim lokalen Industrieriesen Landis & Gyr. Amrein war so etwas wie das Goldene Kalb der Partei, nahezu der einzige Büezer, der in jenem Sektor verankert war, von dem dereinst die Revolution ausgehen sollte. Kein Wunder, schirmte ihn die Partei rigoros ab. Amrein durfte sich nicht öffentlich als RML-Mitglied zu erkennen geben, ja, er durfte an politischen Veranstaltungen nicht einmal mit bekannten Genossen zusammensitzen. Dazu sollte sein Name weder am Telefon noch in Gesprächen je erwähnt werden.

Die Einführung der vier Sicherheitsstufen war nur eine von insgesamt sieben Massnahmen, die die Zuger RML als "Antwort auf die akute Gefahr des Arbeitsplatzverlustes" ihrer Mitglieder und zum Schutz vor polizeilicher Repression in einem internen Papier niederlegte. Die Genossen waren nämlich überzeugt, dass ihre Telefone abgehört und ihr Partei-Lokal überwacht wurden. Also riet ihr Sicherheitspapier dazu, "das Telephon möglichst sparsam und nur zum Abmachen zu benützen, aber keine Gespräche über Genossen, Soldaten, Betriebsarbeit" zu führen und "die Schlüssel des Lokals von der Sektion aus zu kontrollieren, immer abzuschliessen und die Schlüssel an einem Bund aufzubewahren." Dazu wurde davor gewarnt, das eigene Adressbuch an eine Demonstration mitzunehmen, interne Papiere ungeschützt herumliegen zu lassen und Unbefugten Auskünfte über die interne Strukturierung der Partei zu geben.

Dazu hatte sich jedes Mitglied schon bald nach der Parteigründung zu Zwecken der Tarnung ein Pseudonym ausgewählt, einen Decknamen, mit dem es politische Thesenpapiere und Protokolle zeichnete und mit dem es auch während der Sitzungen angesprochen wurde. Amrein nannte sich Moses, nach einem geläufigen Vornamen im Kanton Uri, wo er aufwuchs. Roth taufte sich Peregrin, angeregt durch einen Namenskalender. Andere waren zufrieden mit Allerweltsnamen wie Benno, Werner oder Gerhard. Bruno Bollinger, italienischsprachiges Gründungsmitglied, entschied sich für Livio und erwies damit Livio Maitan, dem grossen italienischen Trotzkisten, die Referenz. Sybilla Schmid, die später als erste Frau im Kanton Zug für den Regierungsrat kandidierte, wurde zu Tanja, weil ihr der Name der Geliebten von Che Guevara gut gefiel.

Wie wichtig es der Partei war, dass diese Tarnnamen nicht aufflogen, zeigt eine Passage aus dem Sicherheitspapier, welches die Genossen anhält, "die Pseudonyme nicht in Privatdiskussionen und am Telephon zu verwenden und auf internen Papieren nur mit Bleistift die Anfangsbuchstaben" zu notieren.

Sitzungen in fahrenden Autos

Darüber hinaus wurden einzelne Sitzungen, bei denen es um besonders heikle Themen wie die Sicherheit ging, in fahrenden Autos abgehalten. Sektionskongresse führten die Revolutionäre an Orten wie Hedingen oder Affoltern am Albis durch, um unbelauscht vom Klassenfeind tagen zu können. Josef Lang, der von Anfang an anti-militaristische Arbeit verrichtete, die als ausgesprochen sensibel galt, erinnert sich daran, dass er "Polit-Telefonate selbst bei bitterster Kälte spätabends aus öffentlichen Telefonkabinen, aber nie von daheim führte."

War das alles nur jugendliche Revolutionsromantik? Der abenteuerliche Versuch, sich in eine Reihe zu stellen mit den bewunderten lateinamerikanischen Widerstandsbewegungen, die genötigt waren, im Untergrund zu operieren? Wollte da eine Handvoll junger Zuger ein bisschen Räuber und Polizei spielen? Von allem mag eine Prise dabei gewesen sein, räumt die Mehrzahl der Befragten heute augenzwinkernd ein. Zuweilen fehlte es denn auch an Professionalität. So zog ausgerechnet Ruedi Amrein kurz nach der Parteigründung 1972 nachts mit Fischkleister und einem grossen Pinsel los, um Protestplakate anzukleben. Dabei liess er sich zweimal von der Polizei erwischen und wurde gebüsst. Jo Lang ärgert sich noch heute, wenn er an diese "absurde Inkonsequenz" erinnert wird. Amrein, inzwischen 57 und ergraut, sieht es gelassener: "Ich hatte immer etwas Anarchisches an mir und hätte mir im Fall einer Entlassung bei der L & G vielleicht meinen alten Berufswunsch erfüllt und wäre Matrose geworden."

Der Alltag der Revolutionäre war geprägt von Disziplin, Fleiss und Aufopferung. "Politische Arbeit", notierte Bruno Bollinger, "hiess damals vor allem, an Sitzungen teilnehmen". Allein im Jahr 1972 brachte er selber es auf 79, dazu war er an 29 Aktionen wie dem Verteilen von Flugblättern beteiligt. Die Sitzungen dauerten jeweils mehrere Stunden und wurden dominiert von jungen Männern, die sich nicht kurz fassen mochten. Dazu kamen mehrteilige, ermüdende Schulungskurse im unwirtlichen Kellerlokal, das sich in einem längst abgerissenen Haus zwischen Gotthardstrasse und Neustadtcenter befand. Die einen nannten es "Loch", die anderen "Gruft" und dritte "die Katakomben". Präsenz war Pflicht, Ausreden wurden nicht geduldet. Ausserdem mussten alle zehn Prozent ihres Lohns an die Parteikasse abgeben, was bei gutverdienenden Genossen zu Jahresbeiträgen von bis zu 10'000 Franken führte. Da konnte ein bisschen Revolutionsromantik, die der politischen Knochenarbeit einen Hauch von Glamour verlieh, nicht schaden.

Allerdings gab es für die umfassenden Sicherheitsmassnahmen der jungen Trotzkisten auch handfeste Gründe. 1973 war am RML-Kongress in Epalinges bei Lausanne, an dem Vordenker Charles-Henry Udry auftrat, eine elektronische Wanze entdeckt worden. Die Abhöraktion versetzte die linke Politszene in Aufruhr. Ein Jahr später wurde die Schwesterpartei in Frankreich offiziell verboten. Die Schweiz untersagte in jener Zeit dem trotzkistischen Philosophen Ernest Mandel die Einreise. Als die Zuger Genossen ihm nach Wien nachreisten, wo er geduldet war und eine Rede hielt, wurden sie gleichwohl am Bahnhof von Beamten des Geheimdienstes erwartet und in der Folge observiert: "Von Männern in langen Mänteln, mit Hüten, und alle hinter einer Zeitung versteckt, über deren Rand sie uns beoachteten," erzählt Hans-Peter Roth.

Überwachung mit Kofferkamera

Auch die Demonstrationen der RML Zug, die ohne Ausnahme ordentlich angemeldet und bewilligt waren, wurden regelmässig von Beamten der Kantonspolizei begleitet. Die Teilnehmer wurden registriert und fotografiert. Lang erzählt, wie er einmal Gelegenheit hatte, die 49 Porträts anzuschauen, die ein Polizist von einer ihrer Kleindemos gemacht hatte. Alle waren oval umrahmt, was sich nur damit erklären liess, dass die Aufnahmen aus einer Kofferkamera gemacht wurden, die es dem Beamten erlaubte, möglichst unauffällig zu knipsen: "Der Einsatz eines solchen Mittels belegt eindrücklich, mit welcher Akribie uns die Polizei seinerzeit verfolgte", sagt Lang. Walter Steiger, der damalige Polizeiverantwortliche und Zuger Verbindungsmann zur Bundessicherheitspolizei (siehe Interview…), räumt ein, dass er tatsächlich sogenannte G-Kameras, Geheimkameras, eingesetzt habe, ein Werkzeug aus der Spionageabwehr. Doch Steiger will das neue technische Gerät bei den "Revoluzzern", wie er sich ausdrückt, nur ausprobiert haben, um es später auf dem Haupttätigkeitsfeld, der Abwehr von Spionen aus dem Ostblock, sicher im Griff zu haben.

1976 geschah in Zug etwas, das keinen Raum mehr für Interpretationen liess: Bruno Bollinger, damals noch Eicher bei der Landis & Gyr wie Genosse Amrein, wurde entlassen, nachdem er gegen die Verweigerung des Teuerungsausgleichs in der L& G gekämpft und an einer Betriebsversammlung den Vorschlag gemacht hatte, über einen einstündigen Warnstreik zu diskutieren. Bollingers Mitgliedschaft in der RML war hinlänglich bekannt, hatte er doch im Jahr zuvor seinen obersten Chef, den verstorbenen Verwaltungsratspräsidenten und FDP-Politiker Andreas C. Brunner, im Nationalratswahlkampf herausgefordert. Ebenfalls 1976 erliess CVP-Stadtrat Othmar Kamer die sogenannten Lehrerwahlrichtlinien, die Berufsverbote für Doppelverdienerinnen, Lehrer und Lehrerinnen im Konkubinat - und "Lehrer mit einer anti-demokratisch-destruktiven Grundhaltung" vorsahen. Josef Lang, promovierter Historiker mit exzellenten Referenzen, Zuger und einst selber Kantischüler, bewarb sich in der Folge dreimal um eine Stelle als Geschichtslehrer an der Kantonsschule und war dreimal chancenlos. 1986 wurde der freisinnige Regierungsrat Andreas Iten an einem Podiumsgespräch gefragt, ob es ein Berufsverbot für linke Lehrer gebe. Iten räumte ein, dass "Systemveränderer mit Nachteilen zu rechnen" hätten.

Die Angst vor der sogenannten Systemveränderung war tatsächlich gross in jener Dekade, die als Nach-68er-Zeit in die Geschichtsbücher einging. Auch in der Schweiz verlangte die Jugend nach Sex, Drugs and Rock'Roll. Junge Männer trugen lange Haare; Frauenrechte und antiautoritäre Erziehung wurden eingefordert. Die bürgerliche Gesellschaft war in ihren Grundfesten erschüttert und reagierte allergisch auf alles, was nach Revolution klang. Da musste eine Gruppierung Schrecken verbreiten und Misstrauen ernten, die sich Revolutionär Marxistische Liga nannte und Parolen skandierte wie "Sozialismus oder Barbarei". Daran änderte auch nichts, dass sich ihre Mitglieder dezidiert gegen alle Formen von Gewalt aussprachen und das einzig Illegale, was sie je taten, das Bekleben von öffentlichen Wänden mit Plakaten war.

Doch damals brauchte es wenig, um den Staat zu provozieren. So beschlagnahmten die Zuger Ordnungshüter 1972 die erste Ausgabe des "Maiglöggli", der Zeitung der RML-Lehrlingsgruppe "Maiblitz", mit der Begründung, das Heft sei unzüchtig und jugendgefährdend. Es enthielt tatsächlich einen Artikel zum Thema Empfängnisverhütung, der illustriert war mit zwei Fotos von einem jungen leichtbekleideten Paar beim Liebesspiel. Die Beschlagnahmung des Corpus Delicti erfolgte im Zuge einer Durchsuchung der Wohnung von Hans-Peter Roth, wo sich auch die Adresskartei des "Maiblitz" befand, welche die Beamten ebenfalls einpackten. Die Genossen waren überzeugt, dass es der Polizei in erster Linie um diese Namen ging und nur am Rand um den Jugendschutz.

"Wahnhafte" Verfolgung

Als anfangs der neunziger Jahre der Schweizer Fichenskandal platzte, zeigte sich, dass diese Vermutung wohl der Realität entsprach. Die RML war jahrelang beobachtet, überwacht und registiert worden, Jo Lang beispielsweise von 1972 bis 1988. Nach Durchsicht ihrer Staatsschutzakten kamen die Genossen zum Schluss, dass die Zuger Polizei ihr politisches Tun, jede Teilnahme an einer Kundgebung, den Besuch von Parteikongressen, aber auch ihr Leben in sogenannten Kommunen "geradezu wahnhaft" verfolgt hatte. Ob auch ihre Telefone abgehört wurden, lässt sich nicht abschliessend beurteilen. Lang fand in seiner Fiche wiederholt das Kürzel "Tab" (fürTelefonabhören); Bollinger aber weist daraufhin, dass bei ihm zwar auch ein Telefonat mit einem italienischen Genossen vermerkt sei, er aber vermute, dass die italienische und nicht die Schweizer Polizei mitgehört habe.

Eindeutig ist die Faktenlage, wenn es um die Auto- und Töff-Nummern der Linken ging, die reihenweise notiert wurden. Dabei konnte es im Eifer des Gefechts sogar passieren, dass das Kennzeichen des Subarus der Mutter eines Genossen in den Schnüffelpapieren landete. Andere machten schwerwiegendere Fehler in ihren Akten aus, die sie als persönlichkeitsverletzend einstufen. So stiess Bollinger zum Beispiel auf folgenden Eintrag: "Am 18.5.77 luden B.(ollinger) und (…) die Lokalpresse ein zur Information über ihre Initiative "gegen den politischen Einfluss von Verwaltungsräten". Der in dieser Orientierung besonders angegriffene Reg.(ierungs)Rat (Antonio) Planzer klagte in der Folge die beiden LMR (Ligue Marxiste Revolutionnaire = RML)-Exponenten wegen Ehrverletzung ein." Eine solche Klage, so Bollinger, habe es nie gegeben.

Was den Schnüfflern bis zuletzt entging, waren die Tarnnamen der Parteigenossen. In keiner Fiche findet sich ein Hinweis auf die Pseudonyme. Dies belegt, dass die Polizei nie einen Spitzel in den inneren Zirkel der Partei einschleusen wollte - oder konnte.


"Das Material ging direkt nach Bern"

Herr Steiger, als Dienstchef der Zuger Kriminalpolizei trugen Sie in den siebziger und achtziger Jahren die Verantwortung für den Nachrichtendienst im Kanton. Was taten Sie konkret?

Walter Steiger: Ich war der Zuger Verbindungsmann zur Bundespolizei und habe in deren Auftrag Spionageabwehr betrieben. Wir befanden uns damals in den Zeiten des Kalten Krieges, und die Nachrichtendienste der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten wie Ungarn, CSSR und DDR gingen auch bei uns sehr aggressiv zu Werke. Ein kleiner Teil meiner abwehrdienstlichen Tätigkeit betraf die Beobachtung von linksextremen Gruppen wie der RML beziehungsweise SAP, aber auch rechtsextremen Gruppen wie dem "Polarstern".

Wie intensiv haben Sie die RML- beziehungsweise SAP-Mitglieder beobachtet?

Im Zentrum des Interesses standen ihre Demonstrationen. Ich habe kontrolliert, wogegen sie protestierten, dazu die Teilnehmer identifiziert und Fotos geschossen. Das Material ging direkt nach Bern.

Das war alles?

Ein paar Auto- und Töffnummern wurden wohl noch aufgeschrieben, aber nur im Rahmen unserer normalen Patrouillentätigkeit und nicht etwa im Zuge einer gezielten Überwachung oder gar undercover-Tätigkeit. Ich habe gegen die RML beziehungsweise SAP keine einzige Zwangsmassnahme ergriffen, also nie eine Wanze gebraucht, kein einziges Telefon überwacht und nie das Mittel der Postkontrolle eingesetzt. Ich hatte im Grunde ein gutes Verhältnis zu Josef Lang oder Hanspeter Uster. Wir haben uns stets freundlich gegrüsst.

Immerhin wurden verschiedene RML-Mitglieder nachts beim Plakatkleben von der Polizei aufgegriffen, auf den Posten gebracht, angezeigt und später auch gebüsst.

Ja, Sie haben recht. Jetzt erinnere ich mich, dass ich einmal im Rahmen eines solchen Verfahrens als Zeuge aufgetreten bin. Das Plakatkleben war damals illegal, also mussten wir handeln. Aber auch das geschah im Rahmen von Routine-Patrouillen und nicht etwa als Folge gezielter Ermittlungen.

Wie bewerteten Sie damals solche Aktionen wie das nächtliche Plakatkleben?

In meinen Augen war das nicht viel mehr als ein Lausbubenstreich, nichts Weltbewegendes, das zu grosser Sorge Anlass gegeben hätte.

Haben Sie das wirklich so locker genommen?

Vielleicht nicht ganz so. Aber ich war stets der Meinung, dass es mit einem Staat nicht weit her sein könne, der nicht einmal ein paar jugendliche Revoluzzer verträgt. Denn Sie müssen wissen: Die RML hat für jede Demonstration eine Bewilligung eingeholt und auch sonst keinerlei Gewalt angewendet. Kommt dazu, dass sie einige sehr sinnvolle Vorstösse lanciert hat. Denken Sie nur an die Verwaltungsrats-Initiative, gemäss der Regierungsräte nicht gleichzeitig Einsitz in Verwaltungsräten nehmen dürfen.

Trotzdem sind sozusagen alle RML- beziehungsweise SAP-Mitglieder fichiert worden.

Das entsprach dem Zeitgeist des Kalten Krieges. Es gab in Zug zahlreiche Politiker, die die RML als subversiv und staatsgefährdend einschätzten, in der irrigen Annahme, sie sei von Moskau ferngesteuert. Dabei war die RML ja Teil der IV.Internationale, einer trotzkistischen Verbindung, deren Mitglieder in der Sowjetunion als Dissidenten verfolgt wurden. Aber auch in Sachen Fichen waren wir zurückhaltend. Ernst Cincera hat mir einmal persönlich gesagt, dass er gar nicht zufrieden mit uns sei, weil wir so human mit den Linken bei uns umgingen.

Immerhin haben einige RML-Mitglieder zehn- bis zwanzigseitige Fichen.

Dennoch waren sie zuletzt fast ein wenig enttäuscht, als sie deren Inhalt einsehen konnten. Aus der Idee, daraus Kapital für Propagandazwecke zu schlagen, wurde jedenfalls nichts.

Walter Steiger, geboren 1934 in Oberriet SG, trat 1960 in das Korps der Kantonspolizei Zug ein. Er war mehr als zwanzig Jahre Dienstchef, zuletzt im Rang des Stellvertreters des Chefs Kriminalpolizei. Nach seiner Pensionierung 1998 war er für das EDA als internationaler Polizeiinstruktor und Beobachter auf dem Balkan tätig. Da er Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch spricht, beschäftigte ihn die Zuger Polizei bis vor kurzem als Übersetzer; noch heute erledigt er englischsprachige Aufträge. Er ist verheiratet, Vater von vier Söhnen und einer Tochter und hat 13 Enkelkinder. Er lebt in Zug.

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© Barbara Lukesch