Sexshop nur für Frauen

Toys / 16. Juni 1996, "Sonntags-Zeitung"

Symbolbild zum Thema Sexualität

Vor zwei Wochen wurde der erste Schweizer Sexshop nur für Frauen eröffnet. Anita Wildermuth aus Rapperswil ist die Pionierin, die der grossen Konkurrenz mit ihrem kleinen Laden "Femintim" ein Schnippchen geschlagen hat.

Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm stöbert in erotischer Literatur. Zwei junge Mütter, deren vier Kinder vor dem Haus herumtollen, lassen die glitzernden und spitzendurchbrochenen BHs und Bodys durch ihre Finger gleiten. Eine vielleicht 25jährige hat einen Vibrator in der Hand und erklärt ihrer Freundin mit Witz und Eifer die Vorteile dieses Modells.

"Femintim", der erste Schweizer Sexshop nur für Frauen, trifft ganz offensichtlich ein Bedürfnis. Anita Wildermuth, die 33jährige Ladenbesitzerin, hat - soviel ist jetzt schon klar - eine Marktlücke entdeckt. Das ist keine Selbstverständlichkeit angesichts eines Marktes, der nicht nur in den Grosstädten wie Zürich, Bern und Basel, sondern auch in den Agglomerationen, ja, bereits in ländlichen Gegenden aus den Nähten platzt. Da betreibt der Porno-Grossanbieter Patrik Stöckli bereits acht Erotik-Märkte in der Schweiz, die den Umfang von Warenhäusern haben; da ist auch die deutsche Sex-Pionierin Beate Uhse mit ihren Schweizer Ablegern prominent vertreten. Ganz zu schweigen von den Hunderten von namenlosen Sexshop-Betreibern, die auch ihr Stück vom jährlich knapp 250 Millionen Franken schweren Erotik-Kuchen abkriegen wollen.

Intimität unter Frauen

Und nun kommt eine kaufmännische Angestellte, die schon lange davon träumt, selbständig zu werden und setzt eine Idee in die Tat um, auf die die Grossen der Branche eigentlich schon lange hätten kommen können. Sie mietet in einem Geschäftshaus an der Peripherie von Rapperswil einen 15 Quadratmeter grossen Raum, richtet ihn sorgfältig und mit Liebe für das Detail ein und offeriert ihren Kundinnen nebst Dildos, Lederpeitschen und Präservativen das, was der Name ihres Ladens verspricht: Intimität unter Frauen.

Damit hat sie ins Schwarze getroffen. Denn Frauen, die durchaus auch Interesse an erotischen Acessoires oder pornographischer Literatur zeigen, wollen ungestört und unbelästigt von männlichen Blicken, Anmache und dummen Sprüchen in den Erotik-Angeboten stöbern. Nichts sei schlimmer, weiss auch Anita Wildermuth aus eigener Erfahrung, als als Frau durch einen "schmuddeligen Sexshop zu gehen, in dem ein Klima von Misstrauen, Heimlichtuerei und unterschwelliger Geilheit herrscht." Sie tue sich auch schwer mit den Erotik-Warenhäusern, die ihr zu gross, steril und clean seien: "Da fühle ich mich regelrecht erschlagen von den meterlangen Auslagen mit Porno-Videos und Sex-Heften, von deren Titelseiten mir die Geschlechtsteile schier an den Kopf springen."

Bereits jetzt, zwei Wochen nach Eröffnung von "Femintim", hat die Ladenbesitzerin festgestellt, dass viele Kundinnen es schätzen, einmal von Frau zu Frau ganz ungeniert und frei von Hemmungen darüber reden zu können, "wie denn ein Vibrator nun wirklich funktioniert, wieviel er kostet und was sich alles damit anstellen lässt".

Die Idee zu ihrem Frauen-Sexshop hat Anita Wildermuth in München "geklaut", wo es bereits seit mehreren Jahren einen auf weibliche Bedürfnisse zugeschnittenen Laden gibt. Angetan von der Vorstellung, endlich etwas Eigenes und Unkonventionelles auf die Beine zu stellen, hat sie sich in der Szene umgehört, 65 Briefe an Lieferanten aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Holland, Frankreich und den USA verschickt, um sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen. Im ersten Moment war sie schockiert, als sie die vielen billig gemachten Prospekte mit den Sado-Maso-Utensilien und anderen Extrem-Spielarten erhielt. Doch mit der Zeit wurde sie fündig, entdeckte den Strumpf-Produzenten in Frankreich, der ihr hochklassige Ware liefert; liess sich aus den USA spezielle Bodys schicken, die ihren Vorstellungen entsprechen und besuchte ihre ersten Erotik-Messen.

Schaulust und Lesevergnügen

Die bei ihr erhältlichen pornographischen Bücher und Videofilme setzen sich deutlich ab von den herkömmlichen von Männer für Männer gemachten Penis- und Vagina-Verschnitten. Sie bevorzugt Filme, die Frauen gedreht haben, weil sie überzeugt davon ist, "dass deren Blick Bilder von echter Intimität ermöglicht." Ihr Literaturangebot besteht aus einer Mischung aus pornographischen Comics, Klaus Heers aufklärerischer Protokollsammlung "Ehe, Sex und Liebesmüh`" und den "Jahrbüchern der Erotik" aus dem Verlag Claudia Gehrke, der - gemäss Selbstdarstellung - "Schaulust, Lesevergnügen und Bewusstseinsbildung" gleichermassen gestattet. Was sie nicht ins Sortiment aufnehmen wird, sind gewaltverherrlichende Darstellungen.

Doch bei "Femintim" gibt es auch Handfestes wie Dildo-Gurte und Penisringe jeder Grösse, Konsistenz und Preisklasse zu kaufen. Auch an Leder- und Latexkleidung für bizarre Vergnügen fehlt es nicht, und als Partygag bietet Anita Wildermuth Salz- und Pfefferstreuer beziehungsweise Eiswürfel-Behälter in Penisform an.

Die geschäftstüchtige KV-Absolventin, die schon als Sachbearbeiterin, Schaufensterdekorateurin, im Aussendienst und im Verkauf gearbeitet hat, weiss um die Millioneneinnahmen, die ihre Branche macht. Dennoch gibt sie sich vorerst bescheiden. Es fehlten ihr schliesslich die Vergleichsmöglichkeiten in der Schweiz; mit Befriedigung nimmt sie immerhin zur Kenntis, dass es in Deutschland bereits mehr als ein Dutzend florierende Frauen-Sexshops gibt.

Die Reaktionen auf ihre Ladeneröffnung sind auf jeden Fall vielversprechend. Die Medien stürzen sich regelrecht auf den kleinen Ein-Frau-Betrieb der besonderen Art. Rapperswil begegnet seiner Bürgerin, die für so viel Aufsehen sorgt, mit Wohlwollen und einem Augenzwinkern. Die Kundinnen reisen aus Baden, Zürich und Solothurn an, und die telefonischen Bestellungen lassen auf ein überaus grosses Interesse schliessen. Ganz überraschend kommt das nicht, denn die "alten Hasen" aus dem Sex- und Pornogeschäft unken ja schon seit langem, dass Frauen die Kundschaft von morgen stellen.

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© Barbara Lukesch