Die Waffen der Frau

Verbalattacken abwehren / 13. April 2005, "Annabelle"

Symbolbild zum Thema Gewalt

Interview mit der Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan über Tricks, mit denen sich Frauen gegen Verbalattacken wehren können.

Barbara Berckhan, warum fällt es den meisten Menschen schwer, schlagfertig auf einen dummen oder fiesen Spruch zu reagieren?

Barbara Berckhan: Verbale Angriffe treffen uns meistens aus heiterem Himmel. Wir sitzen in einer Besprechung oder stehen in einem Laden und denken nicht im Traum daran, dass wir im nächsten Moment mit Worten attackiert werden könnten. Wenn es passiert, erschrecken wir und sind wie gelähmt. Wir stehen sozusagen unter Schock. Dass uns in einer solchen Situation keine passende Erwiderung einfällt, ist völlig normal und nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass in unserer Gesellschaft die meisten von uns über antrainierte Hemmungen verfügen, die sie daran hindern, einer Person, die ihnen auf den Fuss getreten ist, sofort an die Kehle zu gehen. Diese Hemmungen sind ja an sich etwas Gutes, erweisen sich aber gegenüber einem Mitmenschen, der verbal vom Leder zieht, als hinderlich.

Frauen klagen besonders stark über ihre mangelnde Schlagfertigkeit. Was hält gerade sie davon ab, diese Fähigkeit zu erwerben und im Alltag anzuwenden?

Frauen ist viel daran gelegen, Beziehungen zu erhalten, zu hegen und zu pflegen. Sie befürchten schnell einmal, dass sie mit einer verbalen Retourkutsche eine Freundschaft zerstören könnten, und schweigen lieber. Ausserdem haben viele Angst, dass sie ihr Gegenüber mit einer schlagfertigen Antwort zu noch härteren Attacken gegen sie provozieren könnten.

Nun steckt ja im Wort Schlagfertigkeit tatsächlich auch das Verb schlagen. Kein Wunder, dass es Vorstellungen von Gewalt und Eskalation hervorruft.

Umso wichtiger ist es mir, eine Form von Schlagfertigkeit zu propagieren, die es mir erlaubt, mich zu wehren, ohne zerstörerisch zu sein. Dazu braucht es Gelassenheit und Souveränität. Oder um mit einem Bild zu sprechen: Wenn jemand mit 200 km/h auf mich zurast, wäre es fatal, ebenfalls zu beschleunigen und einen Frontalzusammenstoss zu riskieren. Stattdessen mache ich lieber einen Schritt zur Seite, lasse den Angreifer an mir vorbeirauschen und stelle ihm, wenn ich gut drauf bin, noch einen kleinen Fusshaken, sodass er mit seiner eigenen Energie einen Purzelbaum schlägt.

Werden wir etwas konkreter. Was raten Sie einer Frau, die endlich einmal schlagfertig auf einen gemeinen Spruch reagieren will?

Zuallererst muss sie aufhören, sich wegen ihrer Sprachlosigkeit Vorwürfe zu machen. Ein Angreifer gibt gerade sein Schlechtestes, um sie zu bodigen. Da fehlt es gerade noch, dass sie sich selbst auch noch niedermacht. Stattdessen sollte sie nach einer Attacke als Allererstes eine würdevolle Haltung einnehmen. Das heisst: sofort den Rücken aufrichten, Blickkontakt mit dem Gegenüber herstellen, ein königliches Gesicht aufsetzen, das Kinn eine Spur höher nehmen und zwei-, dreimal tief durchatmen. Das ist eine der interessantesten Methoden, dem anderen auch ohne Worte eine Botschaft mitzuteilen.

Welchen Inhalts?

Des Inhalts: «Ich bin die Queen, die über der Sache steht und es gar nicht nötig hat,dir zu antworten.» Das ist etwas völlig anderes, als zugeben zu müssen: «Mir fällt nichts ein.»

Das klingt gut. Nur: Wie kriegt man diese königliche Haltung hin?

Die lässt sich in ganz alltäglichen Situationen trainieren. Betreten Sie mit dieser Haltung ein Restaurant oder eine Boutique. Reden Sie öfter mal so. Das geht problemlos, weil es sich nicht um eine aggressive, sondern um eine überaus würdige, abgegrenzte Haltung handelt.

Und wie sieht der nächste Schritt aus?

Eine Möglichkeit besteht darin, den Angreifer gezielt zu verwirren. Falls sich die Attacke im Büro ereignet, können Sie sich auf Ihrem Block Notizen machen und den anderen bitten, den eben gesagten Satz zu wiederholen: Man sammle nämlich solche Aussagen. Oder Sie können urplötzlich ein lustiges Liedchen trällern und den Eindruck erwecken, Sie seien gerade in besonders guter Stimmung.

Was halten Sie davon, sich eine Liste schlagfertiger Redewendungen zurechtzulegen und diese bei Bedarf abzurufen?

Das ist durchaus auch eine Methode, die Wirkung zeitigen kann. Wer sich darin versuchen will, sollte mit Zweisilbern beginnen wie «Aha!», «So so!» oder «Potz Blitz». Auf einer nächsten Stufe kämen humorvolle Sätze wie «Ich mag die Art, wie Sie die Wörter aneinander reihen» oder «Ich möchte so werden wie Sie» an die Reihe. Was mir besonders gut gefällt, ist das Abrufen eines unpassenden Sprichworts.

Zum Beispiel?

Ich hatte kürzlich eine Seminarteilnehmerin, die ziemlich füllig ist und sich jeden Morgen von einem Bürokollegen dumme Sprüche zu ihrem Essverhalten und ihrer Körperfülle anhören musste. Der fragte sie beispielsweise mit maliziösem Unterton: «Na, gabs gestern wieder Torte?» Eines Tages baute sie sich vor ihm auf und erwiderte: «Interessante Frage. Dazu fällt mir nur eines ein: Viele Köche verderben den Brei.» Der Mann war so perplex, dass es ihm die Sprache verschlug.

Nun gibt es ja dermassen beleidigende Attacken, dass solche eher spielerische Reaktionen nicht mehr angemessen erscheinen.

Richtig. Wirft mir jemand an den Kopf «Wenn Dummheit wehtun würde, müsstest du nur noch schreien», muss Klartext gesprochen werden. Dann konstatiere ich: «Du hast mich beleidigt. Dafür erwarte ich eine Entschuldigung.» Dabei ist es letztlich unwichtig, ob der andere das einsieht und sich wirklich entschuldigt. Entscheidend ist, dass ich vor mir selbst glaubwürdig bleibe und mich am nächsten Tag wieder im Spiegel angucken kann.

Gibt es Verhaltensweisen, die eine Person, welche sich vor verbalen Attacken schützen und ihre eigene Schlagfertigkeit steigern will, unbedingt unterlassen sollte?

Die gibts tatsächlich, und sie sind besonders bei Frauen verbreitet. Erstens: das Kokettieren mit den eigenen Schwächen und Fehlern. Wer ständig von sich als «dummer Nuss» redet, darf sich nicht wundern, wenn ihm dieser Spruch eines Tages um die Ohren gehauen wird. Zweitens: das ewige Lächeln, selbst wenn man gerade am verbalen Galgen aufgehängt wird. Wenn man mir sagt «Sie haben heute offenbar Ihr Gehirn an der Garderobe abgegeben», lache ich nicht, auch wenn ich dann mit Sprüchen wie «Sei doch keine Spielverderberin! Lach doch mal!» rechnen muss.

Wie würden Sie persönlich auf diese Aufforderung reagieren?

Ich würde antworten: «Gib mir was zum Lachen! Dann lach ich auch.»

* Barbara Berckhan (47) ist Diplompädagoginund arbeitet als Kommunikationstrainerin und Buchautorin in Hamburg


So klappts

Acht kluge Strategien

1. Den Gegner ins Leere laufen lassen: Sie bleiben stumm und antworten auf den Angriff durch Ihre Körpersprache.
2. Die Umleitung: Sie antworten nicht auf den Angriff, sondern reden einfach über ein völlig anderes Thema.
3. Der zweisilbige Kommentar: Sie kommentieren den Angriff nur mitzwei Silben wie «Aha», «So so», «Oje», «Potz Blitz», «Sag bloss».
4. Das unpassende Sprichwort: Sie antworten mit einem Sprichwort, das überhaupt nicht zum Angriff passt.
5. Die entwaffnende Gegenfrage: Sie nehmen das Wort, das Sie verletzt, und fragen den Angreifer, wasdieses giftige Wort bedeutet. (Der Angriff: «Sie haben ja einen riesigenBlödsinn gemacht.» - Die Gegenfrage: «Was meinen Sie genau mit «riesigem Blödsinn»?»)
6. Nachgeben und Zustimmen: Ihr Angreifer will Recht haben und kämpft dafür. Stimmen Sie ihm zu, geben Sie ihm Recht. Sagen Sie ihm, dass Sie gern bereit sind nachzugeben, wenn ihm das hilft.
7. Das Kompliment: Setzen Sie Ihren Gegner schachmatt, indem Sie ihn bewundern oder loben.
8. Die Konfrontation: Benennen Sie die Beleidigung klar, konfrontieren Sie den Angreifer damit, und fordern Sie eine Entschuldigung.

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© Barbara Lukesch