"Astrologie ist keine Glaubenssache"

Monica Kissling / Dezember 2010, "Readers Digest"

Symbolbild zum Thema Interviews

Die Zürcher Astrologin Monica Kissling räumt mit Vorurteilen gegenüber ihrem Berufsstand auf und erklärt, was die Astrologie alles kann, aber auch, wo ihre Grenzen sind.

Monica Kissling, haben Sie schon als kleines Mädchen davon geträumt, Astrologin zu werden?

Monica Kissling: Überhaupt nicht. Ich war zwanzig, als ich erstmals einen Wochenendkurs besuchte, der mich sehr faszinierte. Der Kursleiter, ein Astrologe, beeindruckte mich mit seinem Wissen. Was der alles aus einem Horoskop herauslesen konnte! Von da an habe ich die Astrologie als Hobby betrieben und weitere Kurse besucht.

Wie hat Ihre Umgebung reagiert, als Sie beschlossen, die Astrologie zu Ihrem Beruf zu machen?

Das hat überhaupt niemand ernstgenommen. Wer wird schon Astrologin? Das existierte damals gar nicht als Beruf.

Ist das immer noch so?

Ein bisschen hat es sich schon verändert, aber Astrologe ist immer noch kein anerkannter Beruf, geschweige denn ein geschützter Titel. Deshalb kann man in der Schweiz auch gar nicht allein von der astrologischen Beratung leben. Alle Astrologen, die ich kenne, machen noch etwas anderes. Die einen arbeiten in der Ausbildung, andere sind therapeutisch tätig und beziehen die Astrologie als zusätzliche Ressource mit ein, zum Beispiel in der Berufsberatung. Ich selber habe ja von Anfang an auch für verschiedene Zeitungen, Radio und Fernsehen gearbeitet.

Was kostet eine astrologische Beratung bei Ihnen?

Die Beratungspauschale für eine Sitzung beträgt 480 Franken, zuzüglich Mehrwertsteuer. Darin enthalten sind das telefonische Informationsgespräch, die Horoskoperstellung sowie die Analyse und Vorbereitung der Sitzung aufgrund der konkreten Fragestellungen, welche die Klienten im Vorfeld einreichen können. Eine Sitzung von einer Stunde umfasst also etwa vier Arbeitsstunden.

Worin unterscheiden Sie sich von Elisabeth Teissier, der zweiten landesweit bekannten Astrologin der Schweiz?

Elisabeth Teissier behauptet zum Beispiel, sie könne sowohl ihren eigenen wie den Tod anderer voraussagen. Wie sie das anstellt, weiss ich nicht. Als psychologisch orientierte Astrologin vertrete ich die Ansicht, dass man konkrete Ereignisse im Leben eines Menschen nicht voraussagen kann. Denn die Zukunft, davon gehe ich jedenfalls aus, ist noch nicht festgelegt. Wäre sie es, gäbe es keinen freien Willen und wir würden alle nur ein vorgegebenes Programm abspulen.

Aber von gewissen Vorgaben im Leben eines Menschen gehen ja auch Sie in Ihrer astrologischen Arbeit aus.

Klar. Zum einen gehe ich von seinen persönlichen Anlagen aus. Es kann nicht jeder Musiker oder Schriftsteller werden. Einige können das, andere sind begnadete Lehrer oder Architektinnen. Zum anderen betrachte ich die Zeitachse. Es gibt Phasen, in denen man die Freiheit hat, zu reisen oder sich weiterzubilden, in anderen hindern einen schwierige Umstände an solchen Aktivitäten. Mit dem Horoskop kann ich jemanden darin unterstützen, seine Eignungen zu erkennen und seine Talente zu entfalten sowie für seine Aktivitäten den passenden Zeitpunkt zu wählen.

Was brauchen Sie im Minimum, um ein persönliches Horoskop zu erstellen?

Das Geburtsdatum, die Geburtszeit, am liebsten auf die Minute genau, und den Geburtsort. In der Beratungspraxis formulieren die Klienten auch ihre persönlichen Fragen im Vorfeld, damit die Vorbereitung gezielt erfolgen kann und die Sitzung möglichst effizient verläuft. Im Grunde kann ich aber als Astrologin auch blind arbeiten. Das habe ich lange Zeit für das Schweizer Fernsehen gemacht. Ich erinnere mich gut an eine Sendung, in der ich in einer Blindanalyse einer Person musikalisches Talent attestiert habe. Und dann trat Felix Gutzwiller auf, der Präventivmediziner und heutige Ständerat. Ich habe leer geschluckt, aber dann erzählte er, dass er als Kind tatsächlich sehr gern musiziert habe. Das zeigt sehr schön, dass Horoskope zwar die Anlage und Talente eines Menschen zeigen, aber nicht, ob und wie er diese konkret auslebt.

In welchem Masse geben Sie Ihren Kunden auch Ratschläge? Würden Sie ihnen zum Beispiel von einer Reise, einer neuen Stelle oder Beziehung abraten, weil Sie deren Risiken sehen?

Gemäss dem Kodex des Schweizer Astrologenbundes, dessen Vorstand ich angehöre, dürfen wir den Ratsuchenden grundsätzlich keine Entscheidungen abnehmen. Ich darf also nicht zu meinen Kunden sagen: Reisen Sie jetzt nicht nach Indien! Oder: Trennen Sie sich von Ihrem Mann! Aber wenn ich im Horoskop einer Person sehe, dass sich grössere berufliche Veränderungen anbahnen, und aus dem Gespräch mit ihr weiss, dass sie mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden ist, ermuntere ich sie natürlich, sich nach Alternativen umzuschauen.

Welche Fragen treiben die Leute in erster Linie um, die von Ihnen ein persönliches Horoskop wollen?

Die Menschen stellen Fragen aus allen Lebensbereichen: Welche Ausbildung entspricht mir? Wie kann ich mich beruflich weiterentwickeln? Welches ist meine Lebensaufgabe? Wie geht es mit meiner Ehe weiter? Wie finde ich meinen Traummann? Viele Fragen betreffen auch die Gesundheit.

Lässt sich die Frage beantworten, ob sich ein bestimmter Termin für eine Operation eignet?

Auf jeden Fall! Das mache ich auch regelmässig. Oft melden sich Menschen, die schon zwei, drei Operationen hinter sich haben, die schlecht verlaufen sind. Wenn ich diese Termine dann astrologisch anschaue, stosse ich jedesmal auf Konstellationen, die sehr ungünstig waren. Es gibt effektiv gute und schlechte Termine. Als ich seinerzeit in einer Fernsehsendung erfuhr, dass die Herzpatientin Rosmarie Voser in der darauffolgenden Nacht operiert werden sollte, war mir sofort klar, dass das nur schief gehen konnte. Frau Voser ist ja dann tatsächlich gestorben, weil sie ein falsches Herz bekommen hat.

Viele Leute setzen Astrologie mit der entsprechenden Rubrik in den Zeitschriften gleich. Da gibt es Wochen- oder Jahreshoroskope für die verschiedenen Sternzeichen. Ist es seriös, in Unkenntnis der präzisen Geburtsdaten ein Horoskop zu erstellen?

Ich habe selber sehr viele Jahreshoroskope für die Medien erstellt. Man sollte das in erster Linie als Unterhaltung betrachten. Man kann ja die Menschen nicht in 12 Typen einteilen, auch nicht in 36, wenn man noch die Dekaden dazunimmt. Für die einzelnen Tierkreiszeichen kann man jedoch einen allgemeinen Trend nennen, im Wissen, dass jeder Steinbock und jeder Löwe ganz individuelle Erfahrungen machen wird. Aber ich staune oft, wie ernst viele Leute diese Heftli-Horoskope nehmen.

Wie gehen Sie mit der Macht um, andere Menschen im Extremfall auch stark manipulieren zu können?

Ich achte sehr darauf, wie ich mich ausdrücke und ob mich die Klienten richtig verstehen. Manchmal meine ich etwas gar nicht dramatisch, aber mein Gegenüber ist vielleicht beunruhigt. Dann frage ich sofort nach. Ich sage auch nur zu den Bereichen etwas, zu denen die Klienten ausdrücklich etwas wissen wollen. Ich platze also nicht ungebeten mit dem Satz heraus, dass ich da übrigens auch noch ein finanzielles Desaster sehe, das sich abzeichnet. Manche Leute wollen gar nichts zu ihrer Zukunft wissen, sie möchten lieber etwas über ihre Stärken und Schwächen erfahren. Männer sagen manchmal, dass sie auf keinen Fall über Gefühle reden wollen, sondern nur übers Business. Das respektiere ich alles. Ausschlaggebend sind immer die Bedürfnisse des Klienten.

In persönlichen Horoskopen verzichten Sie auf das Voraussagen konkreter Ereignisse. In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen stellen Sie und Ihre Berufskollegen aber sehr wohl Prognosen.

Natürlich, denn als Astrologen befassen wir uns ja mit zeitlichen Entwicklungen. Auch andere Fachleute stellen Prognosen: Wetterprognosen, Wirtschafts- und Börsenprognosen, Wahlprognosen, Sportresultatprognosen. Wer das macht, stützt sich auf Daten ab, die der Normalverbraucher nicht zur Verfügung hat, und bezieht gleichzeitig langjährige Erfahrungswerte mit ein. Nehmen Sie die Prognose des Finanzastrologen und Wirtschaftsanalysten Raymond Merriman, der bereits 2001 voraussagte, dass es ab 2008 zu einer globalen Finanzkrise kommen werde. Niemand hat ihm geglaubt. Er hat seine Aussage Jahr für Jahr wiederholt, immer mit dem Hinweis darauf, dass es in den 30er Jahren zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise sehr ähnliche Planetenkonstellationen gab. Schliesslich bekam Merriman recht.

Viele Prognosen gehen aber auch in die Hose.

Ja, das kann passieren, aber nicht nur bei den Astrologen. Wenn Sie sieben Börsenanalytiker fragen, wie sich die Börse im kommenden Jahr entwickeln wird, werden Sie unter Umständen sieben verschiedene Einschätzungen bekommen. Vielleicht treffen zwei davon ins Schwarze, vielleicht liegen aber auch alle sieben daneben. Eine Prognose ist immer eine persönliche Interpretation von Daten.

Was war Ihr Highlight als Prognostikerin?

Ich habe vorausgesagt, dass Roger Federer an den Olympischen Spielen in Athen 2004 früh ausscheiden wird, und das, obwohl die ganze Schweiz überzeugt war, er hole Gold. Da hatte ich schon ein bisschen Angst, dass ich mich in die Nesseln setzen würde. Letztlich ist er in der zweiten Runde gescheitert.

Und ein richtiger Flop?

Meine Prognose, England werde dieses Jahr Fussball-Weltmeister.

Geben Sie mit solchen Prognosen nicht Ihren Kritikern Nahrung, die die Astrologie ja gern in eine Reihe mit Wahrsagern und Kaffeesatzlesern stellen?

Die Meinungen sind meist schon gemacht. Gegner der Astrologie haben leider oft nicht einmal minimale Kenntnisse der Astrologie und sind deshalb keine ernstzunehmenden Gesprächspartner. Pro- und contra-Diskussionen über Astrologie verlaufen nach dem gleichen Muster wie in der Homöopathie.

Wer daran glaubt, zieht einen Nutzen aus der Astrologie. Einverstanden?

Nein, überhaupt nicht. Astrologie ist keine Glaubenssache, sondern eine Erfahrungswissenschaft. Die Astrologie ist die älteste Wissenschaft überhaupt. Grosse Geister von Goethe bis C.G.Jung befassten sich mit ihr, und sie taten es mit Sicherheit auf sehr differenzierte Weise. Ich finde es ärgerlich, dass sich seriöse Astrologen immer wieder als Quacksalber und Scharlatane verunglimpfen lassen müssen.

Vielleicht gibt es aber tatsächlich mehr dubiose Gestalten unter den Astrologen als in anderen Berufsgruppen, die über anerkannte Ausbildungen und geschützte Titel verfügen.

Das ist so, zweifellos. Genau aus diesem Grund wäre es ja wichtig, dass die Astrologie als Geisteswissenschaft an der Universität gelehrt und damit staatliche Anerkennung erfahren würde.

Warum funktioniert die Astrologie? Wie erklären Sie sich das?

Ganz genau wissen wir das nicht. Die Esoterik, zu der ja auch die Astrologie gehört, geht davon aus, dass es eine höhere Intelligenz, man könnte auch sagen, eine geistige Ordnung gibt. Die Astrologen sehen diese geistige Ordnung in den Sternen gespiegelt. In der Geburtskonstellation eines Menschen erkennen wir das Grundmuster seiner Persönlichkeit, sein Seelengefüge sozusagen. Spannend ist, dass sich kein Sternenmuster wiederholt. Niemals, nicht in 100'000 Jahren. Das heisst, jeder Augenblick ist einzigartig, jedes Horoskop und jeder Mensch.

Kehren wir nochmals auf den Boden zurück. Immer mehr Unternehmen nehmen Ihre Dienstleistungen in Anspruch. Was genau erwarten Firmenchefs und Manager von Ihnen?

Von Banken, Versicherungen und Treuhandfirmen werde ich eingeladen, um Vorträge zu künftigen Entwicklungen zu halten. Für die Helsana habe ich zum Beispiel letztes Jahr zusammen mit meinen Kollegen Claude Weiss und Raymond Merriman eine Broschüre für Firmenkunden verfasst, in der wir Wirtschafts- und Gesellschaftsprognosen stellten. Kleinere Firmen wollen Beratungen, wenn sie Umstrukturierungen planen, einen Firmenteil verkaufen oder neue Produkte auf den Markt bringen wollen.

Gibt es andere Trends, die Sie in Ihrer Praxis beobachten?

Finanzfragen haben generell zugenommen. Viele Menschen wollen heute ganz konkret wissen, ob und welche Aktien sie kaufen sollen. Da bin ich überfordert, weil es mir an fachlichem Finanzwissen fehlt. Merriman gibt monatlich einen Börsenbericht heraus, in dem er Marktanalysen auf Grund der astrologischen Zyklen präsentiert, ergänzt mit Empfehlungen - aber auch mit einem ausdrücklichen Haftungsausschluss.

Beantworten Sie denn wenigstens die Frage, wie man eine Million Franken verdient?

Ich sehe in einem Horoskop tatsächlich, wie eine Person zu Geld kommen könnte, aber auch, wie sie garantiert nie zu Geld kommen wird. Es gibt Leute, die müssen nie ein Los kaufen, weil sie niemals dank Glück zu Reichtum kommen werden. Aber vielleicht können sie durch Heirat oder dank einer Erbschaft zu einem ansehnlichen Vermögen kommen. Das Horoskop zeigt, in welchen Lebensbereich jemand seine Energie stecken kann, um Geld zu verdienen. Meist ist es die Arbeit, und das Horoskop zeigt, wo diesbezüglich die persönlichen Stärken liegen

Monica Kissling alias Madame Etoile wurde am 10.Juli 1957 in Zürich geboren. Als Berufsastrologin leitet sie seit 1985 die astrologische Beratungspraxis IMPULS BERATUNG in Zürich. Sie bietet Beratungen für Privatpersonen und Unternehmen an, leitet Seminare und ist Referentin an Astrologie-, Wirtschafts- und Trendtagungen. Monica Kissling ist seit 1989 für verschiedene Printmedien sowie für Radio und TV tätig. Ihre astrologischen Wochenprognosen sind seit 20 Jahren auf Radio DRS 3 zu hören.

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© Barbara Lukesch